Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtbarkeit. abgelehnte Akteneinsicht. Sachentscheidung ohne Beschwer. Entscheidung über die Preisgabe des Namens eines Behördeninformanten. Güterabwägung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Verwaltungsakt, mit dem die Akteneinsicht abgelehnt wird, ist selbständig mit der Klage anfechtbar, wenn zwar eine Sachentscheidung ergangen ist, diese den Kläger jedoch nicht beschwert und von ihm im Klageverfahren deshalb auch nicht angegriffen wird.

2. Die Entscheidung über die Preisgabe des Namens eines Behördeninformanten an den betreffenden Versicherten im Wege der Akteneinsicht erfordert eine Güterabwägung zwischen den in § 25 Abs 3 SGB 10 genannten Geheimhaltungsinteressen und dem Auskunftsinteresse des Betroffenen. Jenseits der ausdrücklichen gesetzlichen Übermittlungsbefugnisse kommt ein überwiegendes Interesse des Betroffenen, Kenntnis von dem Namen eines Behördeninformanten zu erhalten, lediglich unter engen Voraussetzungen in Betracht, und zwar insbesondere dann, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Informant wider besseres Wissen oder leichtfertig falsche - namentlich rufschädigende - Behauptungen aufgestellt hat oder wenn er als Zeuge in Betracht kommt.

 

Orientierungssatz

Zum Leitsatz 2 vgl BVerwG vom 4.9.2003 - 5 C 48/02 = BVerwGE 119, 11.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Offenlegung des Namens einer Informantin, vorrangig durch Erteilung einer Kopie des Schreibens, mit dem die Informantin die Beklagte über den Auslandswohnsitz des Klägers informiert hat.

Der Kläger ist im Jahr 1941 geboren. Er wohnt in M., einem kleinen Fischerort an der Costa B. in der spanischen Provinz A.

Seit Februar 2001 bezieht der Kläger von der Beklagten eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen (Bescheid vom 7. Februar 2001). Bei der Beantragung dieser Rente im Januar 2001 hatte der Kläger gegenüber der Beklagten eine deutsche Wohnanschrift angegeben. Auch in der Folgezeit informierte der Kläger die Beklagte nicht über seinen Wohnsitz in Spanien. Zuletzt ließ sich der Kläger die Post an eine Anschrift in R. am B.See - die Anschrift, unter der sein Bruder gemeldet ist - übersenden.

Mit Schreiben vom 28. Juni 2010 unterrichtete eine Person - die Informantin - die Beklagte darüber, dass sich der Kläger vor mehr als 20 Jahren habe scheiden lassen und mit einer jüngeren Frau nach Spanien ausgewandert sei. Die Beklagte möge den Sachverhalt prüfen, da er “rechtlich garantiert nicht belanglos„ sei.

Die Beklagte überprüfte daraufhin die Rentenangelegenheit des Klägers. In einem Vermerk vom 27. August 2010 gelangte sie zu dem Ergebnis, dass sich die Tatsache des gewöhnlichen Aufenthalts in Spanien im Falle des Klägers nicht auf den Rentenanspruch auswirke. Die Anwendung des Europarechts führe dazu, dass dem Kläger eine Auslandsrente in Höhe der Inlandsrente zustehe.

Anschließend forderte die Beklagte den Kläger (mit einem an die deutsche Adresse gerichteten Schreiben) auf, ihr seine Wohnanschrift in Spanien mitzuteilen. Der Aufenthalt im Ausland habe zwar keine Auswirkungen auf die Rente, jedoch müsse die Zahlung entsprechend umgestellt werden und der Kläger müsse künftig jedes Jahr eine Lebensbescheinigung vorlegen.

Der Kläger kam der Aufforderung der Beklagten nach. Er führte ferner aus, dass er die Anschrift in Deutschland nur deshalb angegeben habe, weil eine zuverlässige Postzustellung in Spanien nicht gewährleistet sei. In der Folgezeit bat der Kläger die Beklagte zudem mehrfach um Übersendung einer Kopie des “ominösen Briefes„, durch welchen die Beklagte Kenntnis von seinem Auslandswohnsitz erhalten habe.

Mit Bescheid vom 2. März 2011 stellte die Beklagte die Auslandsrente des Klägers in Höhe der bisherigen Inlandsrente fest.

Mit Schreiben vom 12. Mai 2011, welches nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen ist, teilte die Beklagte dem Kläger außerdem mit, dass sie ihm keine Auskunft zur Identität der Informantin erteilen dürfe. Ein “Auskunftsanspruch„ aus § 25 SGB X bestehe nicht. Die ihr von der Informantin übermittelte Information sei objektiv richtig gewesen. Das Interesse der Informantin an der Geheimhaltung ihrer Identität überwiege gegenüber dem Interesse des Klägers an der Offenlegung.

Am 1. Juni 2011 legte der Kläger “Widerspruch gegen [den] Bescheid vom 2.03.11„ ein und stellte zugleich “erneut einen Antrag„ auf Vorlage einer Kopie des “ominösen Briefes„. Außerdem legte der Kläger eine Unterschriftenliste vor. Darin heißt es, dass die unterzeichnenden Familienangehörigen des Klägers damit einverstanden seien, dass die Beklagte dem Kläger eine Kopie des Schreibens der Informantin zur Verfügung stelle. Die Liste ist von sieben der in ihr genannten neun Personen unterschrieben.

Am 22. August 2011 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Konstanz erhoben. Das Sozialgericht Konstanz hat sich mit Beschluss vom 13. Februar 2012 für örtlich unzuständig erklärt und hat den Rechtsstreit an das Sozial...

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