Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion bei Überschreiten der Bescheidungsfrist durch die Krankenkasse

 

Orientierungssatz

1. Voraussetzung der Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a SGB 5 ist, dass die Krankenkasse einen hinreichend bestimmten Antrag des Versicherten auf eine Leistung, welche dieser für erforderlich halten durfte und die nicht außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung liegt, nicht fristgerecht beschieden hat.

2. Ein chirurgischer Bodylift, u. a. durch Fettresektion, Mamma-, Oberschenkel- und Oberarmrekonstruktion nach Aly, zählt zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung.

3. Die Genehmigungsfiktion begründet sowohl einen Kostenerstattungs- als auch einen Naturalleistungsanspruch des Versicherten. Letzterer ermöglicht insbesondere einem mittellosen Versicherten, der nicht in der Lage ist, sich die begehrte Leistung selbst zu verschaffen, seinen Anspruch zu realisieren (BSG Urteil vom 08. März 2016, B 1 KR 25/15 R).

 

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin vier stationäre Operationen, nämlich zirkuläre Dermofettresektion (modifiziertes Bodylift nach Lockwood) mit T-Schnitt, Oberschenkelrekonstruktion nach Aly beidseits, Mamma- und laterale Thoraxstraffung beidseits sowie Oberarmrekonstruktion nach Aly beidseits als Sachleistung zu gewähren.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

 

Tatbestand

Streitgegenständlich sind vier postbariatrische stationäre Wiederherstellungsoperationen als Sachleistung im Rahmen einer Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V).

Die 1963 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Sie leidet an multiplen Hauterschlaffungen infolge einer Gewichtsreduktion nach einer Magenbypassoperation im Januar 2012 um 70 kg von 172 kg auf seit Mai 2013 konstant etwa 102 kg. Mit am 9. Mai 2014 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben der Klägerin vom 7. Mai 2014 beantragte sie einen “chirurgischen Bodylift„. Dem Antrag waren ärztliche Bescheinigungen beigefügt, u.a. die ärztliche Bescheinigung des D.-Krankenhauses W., A.Krankenhaus der Universität B., vom 1. April 2014, in der vier postbariatrische stationäre Operationen empfohlen wurden, nämlich zirkuläre Dermofettresektion (modifiziertes Bodylift nach Lockwood) mit T-Schnitt, Oberschenkelrekonstruktion nach Aly beidseits, Mamma- und laterale Thoraxstraffung beidseits und Oberarmrekonstruktion nach Aly beidseits, durchzuführen jeweils im Abstand von drei bis sechs Monaten.

Mit Schreiben vom 16. Mai 2014 bat die Beklagte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) um Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit eines Bodylifts. Dieser forderte mit Schreiben vom 19. Mai 2014 weitere Unterlagen und Informationen vom D.-Krankenhaus W. und erstellte nach Eingang der erbetenen Unterlagen am 27. Mai 2014 ein sozialmedizinisches Gutachten. Danach besteht keine medizinische Notwendigkeit zu den beantragten Leistungen. Die beklagten Befunde störten die Klägerin nachvollziehbar aus ästhetischen Gründen, könnten jedoch mit alltagsüblicher Kleidung ausreichend kaschiert werden. Der Gewebeüberschuss führe zu keiner Mobilitätseinschränkung, Nachweise durch intertriginöse, therapiefraktäre Infektionen durch überhängende Hautschürzen würden nicht erbracht.

Mit Schreiben vom 30. Mai 2014 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der Antrag bearbeitet werde und noch Fragen mit dem behandelnden Arzt und dem MDK zu klären seien und sie sobald wie möglich benachrichtigt werde. Mit Schreiben vom 10. Juni 2014 bat die Beklagte die Klägerin nach vergeblichen telefonischen Kontaktversuchen um einen Anruf, um über den Leistungsantrag zu sprechen. Eine telefonische Kontaktaufnahme der Klägerin erfolgte nicht.

Mit Bescheid vom 17. Juni 2014 lehnte die Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme für eine plastisch-chirurgische Operation im Rahmen einer stationären Behandlung ab und führte zur Begründung näher aus, dass die medizinischen Leistungsvoraussetzungen nicht vorlägen.

Am 7. Juli 2014 legte die Klägerin Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid vom 17. Juni 2014 ein, über den bislang nicht entschieden wurde.

Am 10. Juli 2014 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben, zunächst eine Feststellungsklage, gerichtet auf Feststellung, dass der Antrag der Klägerin auf Gewährung diverser postbariatrischer Wiederherstellungsoperationen als Sachleistung vom 7. Mai 2014 gemäß § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V als genehmigt gilt. Mit Schreiben vom 27. März 2017 hat die Klägerin die Klage in eine Leistungsklage, gerichtet auf Gewährung vier postbariatrischer Wiederherstellungsoperationen, umgestellt.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die beantragten Wiederherstellungsoperationen von der Beklagten aufgrund der Genehmigungsfiktion gemäß § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V als Sachleistung zu erbringen seien. Die vom Bundessozialgericht (BSG) in der Entscheidung vom 8. März 2016 - B 1 KR 25/15 R aufgezeigten Voraussetz...

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