Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunftskosten. Renovierungskosten bei Beendigung des Mietverhältnisses. mietvertragliche Verpflichtung. Zusicherung für die Durchführung von Schönheitsreparaturen. kopfteiliger Anteil an Renovierungskosten bei Haushaltsgemeinschaft. Schadensminderungspflicht. Einlegung von Rechtsmitteln gegen Mahnbescheide vom Vermieter

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Prüfung eines Anspruchs auf Übernahme von Renovierungskosten ist zwischen der grundsätzlichen Verpflichtung des Leistungsberechtigten gegenüber seinem Vermieter zur Erbringung von Schönheitsreparaturen und deren konkreten Ausmaß zu unterscheiden. Hinsichtlich der grundsätzlichen Verpflichtung des Leistungsberechtigten ist ausreichend, dass der Mieter einer ernsthaften Forderung seitens seines Vermieters ausgesetzt ist, die nicht offensichtlich unbegründet ist (vgl BSG vom 7.5.2009 - B 14 AS 31/07 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 21 und vom 6.4.2011 - B 4 AS 16/10 R SozR 4-4200 § 22 Nr 43). Es ist nicht angemessen, die Leistungsberechtigten bei einer nicht offensichtlich unbegründeten Forderung auf ein ggf gerichtliches Vorgehen gegen ihre Vermieter vor den Zivilgerichten zu verweisen.

2. Vor der Unterzeichnung eines Übergabeprotokolls, in dem eine Renovierungspflicht festgestellt wird, ist keine Zusicherung erforderlich. Eine Zusicherung nach § 22 Abs 2 SGB 2 aF (§ 22 Abs 4 SGB 2 nF) ist nur vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft geboten. Auch ein Zusicherungserfordernis nach § 22 Abs 3 SGB 2 aF (§ 22 Abs 6 SGB 2 nF) kommt nicht in Betracht. Es handelt sich bei den Aufwendungen für Schönheitsreparaturen der alten Wohnung nicht um Umzugskosten. Die Pflicht zur Schönheitsreparatur besteht während des laufenden Mietverhältnisses der alten Wohnung. Auch ohne einen Umzug ist der Mieter nach gewissen Zeitabständen ggf zur Schönheitsreparatur verpflichtet. Dass die Erfüllung dieser Verpflichtung regelmäßig spätestens zum Zeitpunkt eines Umzugs durch den Vermieter eingefordert wird, macht die Aufwendungen nicht zu Umzugskosten.

3. Freistellung von Ansprüchen auf Kostenersatz für Schönheitsreparaturen kann von dem Leistungsberechtigten bei Haushaltsgemeinschaften nur nach dem kopfteiligen Anteil verlangt werden, für den der Leistungsberechtigte Unterkunftskosten erhalten hat.

4. Schönheitsreparaturen werden in § 28 Abs 4 S 3 der Verordnung über wohnungswirtschaftliche Berechnungen nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz (BVO 2) definiert. Danach sind nur das Tapezieren, Anstreichen oder Kalken der Wände und Decken, das Streichen der Fußböden, Heizkörper einschließlich Heizrohre, der Innentüren sowie der Fenster und Außentüren von innen umfasst. Diese Definition ist grundsätzlich auch bei preisfreiem Wohnraum anwendbar.

5. Leistungsberechtigte trifft eine Obliegenheit zur Schadensminderung aus § 2 Abs 2 SGB 2, sich gegen Forderungen Dritter, die dem Leistungsspektrum des SGB 2 zuzurechnen sind, jedenfalls insoweit zu wehren, dass die Leistungsträger des SGB 2 nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden und keine Chance mehr haben, ggf selbst in einen Rechtsstreit diesbezüglich einzutreten. Leistungsberechtigte müssen naheliegende Rechtsmittel gegen Forderungen Dritter nutzen. Diese Obliegenheit betrifft insbesondere den Widerspruch gegen Mahnbescheide, welche von Vermietern gegen Leistungsberechtigte erwirkt werden.

 

Tenor

1. Der Bescheid vom 25. September 2009 in Gestalt des Widerspruchesbescheides vom 6. November 2009 wird abgeändert und der Beklagte verurteilt, die Klägerin von Ansprüchen auf Erstattung von Renovierungskosten für die Wohnung in der B… A… …, …. B… in einer Höhe von 1.118,52 EUR freizustellen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Der Beklagte hat ein Drittel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Beklagten und zwar in Form von Renovierungskosten.

Die am …. 1967 geborene Klägerin bewohnte sei dem 1. September 2001 eine 78,05 qm große Dreizimmerwohnung in der B… A… …, … B…. Die Allgemeinen Vertragsbedingungen der Vermieter, welche in den Mietvertrag ausdrücklich einbezogen wurden, enthielten in Nr. 5 eine Klausel zu Schönheitsreparaturen. Danach waren Schönheitsreparaturen innerhalb von bestimmten Fristen auszuführen, welche je nach Grad der Abnutzung der Wohnung auf Antrag des Mieters verlängert oder verkürzt werden konnten. Darüber hinaus war eine Klausel enthalten, wonach der Mieter nur mit Zustimmung der Vermieter von der bisherigen Ausführungsart der Schönheitsreparaturen abweichen durfte. Darüber hinaus enthielten die Allgemeinen Vertragsbedingungen in Nr. 13 Abs. 2 eine Klausel, wonach Mieter Änderungen in der Wohnung spätestens zu Beendigung des Nutzungsverhältnisses rückgängig machen mussten. Für den genauen Wortlaut der Klauseln wird auf die Allgemeinen Vertragsbedingungen verwiesen (Bl. 18 und 21 der Gerichtsakte).

Seit dem Jahr 2005 bezog die Klägerin laufend Leistungen nach dem S...

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