Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Leistungsklage. Erstattungsanspruch zwischen Leistungsträgern. Klageart im Gleichordnungsverhältnis. sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Rückerstattung. Erstattungsanspruch der Krankenkasse bei nachträglichem Entfallen des Anspruchs auf Krankengeld. Erstattungsanspruch des Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Rangfolge bei mehreren Erstattungsberechtigten. zur Notwendigkeit von Beiladungen im Erstattungsstreit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Erstattungsstreit zwischen zwei Leistungsträgern ist die Klage als reine Leistungsklage gemäß § 54 Abs 5 SGG zulässig, da zwischen den Parteien des Erstattungsverlangens kein Subordinationsverhältnis besteht, die Leistungsträger sich vielmehr im Gleichordnungsverhältnis gegenübertreten.

2. Der Erstattungsanspruch der Krankenkasse bei nachträglichem Entfallen des Krankengeldanspruchs gem § 50 Abs 1 S 1 SGB 5 richtet sich nach § 103 SGB 10 und gehört zur zweiten Rangklasse gemäß § 106 Abs 1 Nr 3 SGB 10. Er geht damit dem Erstattungsanspruch des Trägers der Grundsicherung für Arbeitssuchende gem. § 40a S 2 1. Alt SGB 2 vor, der wegen der Bezugnahme auf § 104 SGB 10 zur dritten Rangklasse gemäß § 106 Abs 1 Nr 4 SGB 10 gehört.

 

Orientierungssatz

Zur Notwendigkeit von Beiladungen im Erstattungsstreit.

 

Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 164,56 € zu zahlen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 164,56 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte der Klägerin Leistungen zu erstatten hat.

Der Beklagte gewährte Frau H. V. (im Folgenden “Rentenberechtigte„) für die Zeit vom 1.11.2009 bis 30.11.2009 Arbeitslosengeld II in Höhe von 245,97 €.

Die DAK (Krankenversicherung) gewährte der Rentenberechtigten für die Zeit vom 1.11.2009 bis 28.11.2009 Krankengeld i.H.v. 23,85 € täglich.

Die Klägerin gewährte der Rentenberechtigten mit Bescheid vom 18.1.2010 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1.11.2009 in Höhe von monatlich 622,65 €.

Mit Schreiben vom 29.1.2010 machten die DAK und mit Schreiben vom 10.2.2010 der Beklagte wegen der Rentengewährung Erstattungsansprüche gegenüber die Klägerin geltend.

Da die Rentennachzahlung nicht ausreichte, um beide Erstattungsansprüche zu befriedigen, teilte die Klägerin die Rentennachzahlung anteilmäßig auf. Für den Zeitraum vom 1.11.2009 bis 28.11.2009 erstattete die Klägerin der DAK 416,58 €, dem Beklagten 164,56 €.

Dagegen wandte sich die DAK mit Schreiben vom 6.11.2013 und machte aufgrund der Urteile des Bundessozialgerichts vom 31. Oktober 2012 zu den Az. B 13 R 11/11 R und B 13 R 9/12 R einen weitergehenden Erstattungsanspruch in Höhe von 164,56 € geltend. Zur Begründung führte die DAK an, dass dem Träger der Leistungen nach dem SGB II bei einem rückwirkenden Zusammentreffen mit einer Rente aus medizinischen Gründen kein Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X, sondern allenfalls nach § 104 SGB X zustehe. Die Krankenkassen hätten daher einen vorrangigen Erstattungsanspruch.

Mit mehreren Schreiben forderte die Klägerin den Beklagten gem. § 112 SGB X zur Rückerstattung von 164,56 € auf, worauf der Beklagte jedoch nicht reagierte.

Am 1.8.2014 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung bezieht sie sich auf die Argumentation der DAK.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 164,56 € zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt der Beklagte im Wesentlichen an, dass die Erstattung an ihn nicht zu Unrecht erfolgte. Zum einen normiere § 40a SGB II rückwirkend zum 1.1.2009 einen eigenen Erstattungsanspruch des Trägers der Grundsicherung für Arbeitssuchende. Zum anderen habe die Leistungsgewährung der DAK bereits am 28.11.2009 geendet, während sich der dem Beklagten erstattete Betrag auf den gesamten Monat November 2009 bezogen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Beklagten, die vorlagen und Gegenstand der Entscheidungsfindung waren, Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage hat Erfolg. Die Klage ist als reine Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG zulässig (Roller, in: v. Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl., 2014, § 114 Rn. 6), da zwischen den Parteien des Erstattungsverlangens kein Subordinationsverhältnis besteht, die Leistungsträger sich vielmehr im Gleichordnungsverhältnis gegenübertreten (Kallert, in: Gagel, SGB II/SGB III, § 40a SGB II, 65. EL, März 2017, Rn. 88 mit Verweis auf BSG).

Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung von 164,56 € durch den Beklagten. Anspruchsgrundlage ist § 112 SGB X. Danach sind die gezahlten Beträge zurückzuerstatten, soweit eine Erstattung zu Unrecht erfolgt ist. Diese Voraussetzungen liegen hier bzgl. des von der Klägerin an den Beklagten infolge der Rentengewährung gezahlten Erstattungsbetrages in Höhe von 164,56 € vor. Die Erstattung erfolgte zu Unrecht. Der grundsätzlich bestehende Erstattungsanspruch des Beklagten gegenübe...

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