Entscheidungsstichwort (Thema)
Wegfall der Arbeitslosigkeit. Verfügbarkeit. Erreichbarkeit. Überschreitung der erlaubten Ortsabwesenheit wegen der Betreuung eines Kindes. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch wegen Falschberatung
Orientierungssatz
1. Ein Beratungsfehler liegt vor, wenn ein Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit (BA) einer arbeitslosen Mutter eines aufsichtsbedürftigen Kindes eine für ihre Situation inadäquate Empfehlung dahin gibt, für die Überbrückung der Zeit der Schließung der Kindertagesstätte einen zusammenhängenden Urlaub nach § 3 Abs 1 ErreichbAnO zu beantragen; wobei es vielmehr nahe gelegen hätte, stattdessen jeweils für die Werktage Montag bis Freitag einen Antrag nach § 3 ErreichbAnO zu stellen. Für die Samstage genügte es zur Herstellung der Verfügbarkeit, dass die Arbeitslose postalisch erreichbar war und selbst nach Stellenangeboten suchen konnte, und im übrigen hätte der Ehemann der Arbeitslosen an den Samstagen für die Betreuung des Kindes zur Verfügung gestanden (zu § 103 AFG vgl BSG vom 25.4.1991 -11 RAr 9/90 = SozR 3-4100 § 134 Nr 7).
2. Ein Verzicht auf die Verfügbarkeit der Arbeitslosen an den Samstagen kann im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs korrigiert werden.
Tenor
Der Bescheid vom 25.8.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2008 wird aufgehoben.
Die Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten.
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Aufhebungsbescheides wegen Überschreitung der erlaubten Ortsabwesenheit mit Leistungsanspruch nach § 3 EAO.
Die Klägerin ist Mutter eines 7 Jahre alten Kindes. Ihr Ehemann ist voll berufstätig. Nach Beendigung einer befristeten Vollzeit-Beschäftigung als Brillenmontiererin am 31.3.2008 hatte sich die Klägerin zum 1.4.2008 arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld (Alg) beantragt.
Im laufenden Alg-Bezug beantragte die Klägerin eine Leistungsfortzahlung trotz Ortsabwesenheit vom 4.8. bis zum 31.8.2008, um die fehlende Betreuung ihres Kindes wegen Schließung der Kita sicherzustellen. Für die Zeit vom 4.8. bis zum 24.8.2008 war die Ortsabwesenheit mit Leistungsanspruch genehmigt worden. Demgemäß hob die Beklagte die Alg-Bewilligung mit Bescheid vom 25.8.2008 wegen Überschreitung der 21 Tage erlaubter Ortsabwesenheit mit Leistungsanspruch nach § 3 Abs. 1 EAO ab 25.8.2008 auf. Eine Wiederbewilligung erfolgte nach Vorsprache der Klägerin zu dem vereinbarten Meldetermin am 1.9.2008.
Mit der Begründung, nicht ortsabwesend, sondern nur wegen Schließung der Kita vorübergehend nicht verfügbar gewesen zu sein, erhob die Klägerin Widerspruch gegen die Aufhebungsentscheidung.
Nach abschlägigem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 23.10.2008) hat die Klägerin am 6. November 2008 beim Sozialgericht Berlin Klage erhoben, mit der sie geltend macht, nicht ausreichend beraten worden zu sein. Sie habe ihre Situation dargelegt und lediglich die Auskunft erhalten, einen “Urlaubsantrag„ zu stellen, um wenigstens drei Wochen Alg trotz fehlender Verfügbarkeit erhalten zu können. Im Notfall hätte jedoch eine Verwandte die Betreuung des Kindes für einen oder höchstens zwei Tage sicherstellen können. Dies hätte berücksichtigt werden müssen.
Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 25.8.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2008 aufzuheben .
Die Beklagtenvertreterin beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ergänzend wird zum übrigen Sach- und Streitstand auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die beigezogene Leistungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist auch begründet. Der Klägerin steht trotz Schließung der Kita vom 4.8. bis zum 31.8.2008 Alg zu. Die Aufhebung der Bewilligung ab 25.8.2008 ist rechtswidrig.
Voraussetzung für den Bezug von Alg ist nach § 119 SGB III u.a. die Verfügbarkeit des Arbeitslosen, d.h. seine Fähigkeit und Bereitschaft, an den Werktagen für die AA erreichbar zu sein und dem Arbeitsmarkt zu üblichen Bedingungen zur Verfügung zu stehen. Die Klägerin hatte sich für eine Vollzeitstelle, ihrer vorangegangenen Beschäftigung entsprechend, zur Verfügung gestellt und danach war auch das Alg berechnet worden.
Die für einen rechtsunkundigen Laien komplizierten Regelungen zur Verfügbarkeit lösen einen erhöhten Beratungsbedarf der Beklagten aus, wenn Leistungsansprüche trotz fehlender oder eingeschränkter Verfügbarkeit zu klären sind (Gagel/Steinmeyer § 119 Rdnr. 283; Niesel-Brand § 119 Rdnr. 89).
Diesen Anforderungen ist die Beklagte im vorliegenden Fall nicht gerecht geworden. Dabei kann offen bleiben, ob der zuständige Mitarbeiter der AA ohne dahingehende Anhaltspunkte oder Erkundigungen der Klägerin nachfragen musste, ob ggf. Freunde oder Verwandte die Betreuung des Kindes im Fall eines Arbeitsangebots oder einer Maßnahme der AA hätten gewährleisten können. Denn der Beratungsfehler liegt hier in der für die Situation der Klägerin inadäquaten Empfehlung, einen zusammenhängenden Urlaub nach § 3 Abs. 1 EAO zu beantragen. Es hätt...