Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattung überzahlter Rentenleistungen durch einen Kontobevollmächtigten nach dem Tod des Rentenberechtigten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine bloße Vollmacht über das Konto des verstorbenen Rentenberechtigten macht den Kontobevollmächtigten nicht ohne Weiteres zum Verfügenden iS des § 118 Abs 4 S 1 SGB 6 in der Alternative des "Zulassens" von banküblichen Zahlungsgeschäften durch Dritte (Anschluss an SG Hannover vom 19.4.2013 - S 6 R 1466/11 - juris).

2. Denn mit der Erteilung einer Kontovollmacht als solcher ist nicht auch ohne Weiteres die Verpflichtung für den Bevollmächtigten verbunden, nach dem Ableben des Kontoinhabers alle das Kontoguthaben vermindernden Verfügungen Dritter verhindern zu müssen. Aus der allein hierzu bestehenden rechtlichen Möglichkeit folgt nicht auch ohne Weiteres die rechtliche Verpflichtung hierzu.

3. Das "Zulassen" einer Verfügung iS des § 118 Abs 4 S 1 SGB 6 setzt nicht nur eine Berechtigung zur Verhinderung bestimmter Zahlungsgeschäfte durch den Betreffenden voraus, sondern auch eine Verpflichtung hierzu. Eine solche kann sich für einen Kontobevollmächtigten aus der Art der erteilten Vollmacht ergeben, aber auch aus den Absprachen mit dem Vollmachtgeber über den Zweck der erteilten Vollmacht oder aus sonstigen Umständen wie etwa einem bestimmten rechtlichen oder familiären Näheverhältnis zwischen Vollmachtgeber und Vollmachtnehmer.

 

Orientierungssatz

1. Zum Begriff des "Verfügenden" iS des § 118 Abs 4 S 1 SGB 6 (vgl BSG vom 10.7.2012 - B 13 R 105/11 R = SozR 4-2600 § 118 Nr 11).

2. Zum Leitsatz 1: So auch SG Hamburg vom 20.6.2011 - S 6 R 1063/10 = juris RdNr 32.

 

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 17. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juli 2016 wird aufgehoben.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine Erstattungsforderung der Beklagten in Höhe von 671,54 Euro für Rentenleistungen, welche von der Beklagten über den Sterbemonat der Versicherten R. G. hinaus gezahlt wurden.

Die am ... Juni 1940 geborene und bei der Beklagten Versicherte R. G. (im Folgenden: Versicherte) hatte seit dem 1. Oktober 2002 eine Altersrente für Frauen bezogen. Diese war ihr vorschüssig am Ende des Monats für den Folgemonat geleistet worden.

Am 2. November 2007 war dem Kläger von der Versicherten eine Vollmacht für das von dieser bei der Beigeladenen geführte Girokonto mit der Nr. … eingeräumt worden, auf das auch die monatliche Rentenleistung der Beklagten gezahlt wurde. Gemäß der von der Beigeladenen formularmäßig vorformulierten Bankvollmacht durfte der Bevollmächtigte „bankübliche Vereinbarungen“ bezüglich des genannten Kontos treffen, so insbesondere auch eine Kontoauflösung vornehmen, jedoch - weil es sich um ein Kontokorrentkonto gehandelt hatte - erst nach dem Tod des Kontoinhabers. Die Vollmacht erlosch nicht mit dem Tod des Kontoinhabers, sondern blieb auch für dessen Erben in Kraft, solange sie nicht von diesen widerrufen würde.

Am 8. November 2015 verstarb die Versicherte. Auch nach ihrem Tod wurde die Altersrente von der Beklagten mit einem monatlichen Zahlbetrag in Höhe von 823,69 Euro am 30. November 2015 für den Monat Dezember 2015 sowie am 30. Dezember 2015 für den Monat Januar 2016 weiterhin auf das genannte Konto der Versicherten geleistet. Wegen der Einzelheiten der Kontobewegungen und des jeweiligen Kontostandes im Zeitraum vom 8. November 2015 bis zum 21. Januar 2016 wird auf die von der Beigeladenen zur Verwaltungsakte der Beklagten gereichten Kontoauszüge sowie die hierauf basierende, als Anlage zum Urteil angefügte Übersicht des Gerichts Bezug genommen.

Mit bei der Beigeladenen am 21. Januar 2016 eingegangenem Rückforderungsersuchen der Beklagten vom 18. Januar 2016 forderte diese die Beigeladene zur Rücküberweisung von 1.576,14 Euro für die überzahlten Rentenleistungen für die Versicherte für die Monate Dezember 2015 und Januar 2016 auf. Hierauf teilte die Beigeladene mit Schreiben vom 21. Januar 2016 der Beklagten mit, dass sie die über den Sterbemonat hinaus überwiesenen Beträge nicht vollständig zurücküberweisen könne, weil über sie bereits anderweitig verfügt worden sei. Der Kontostand habe bei Eingang der ersten überzahlten Rente am 30. November 2015 20,24 Euro betragen und bei Eingang der Rückforderung der Beklagten am 21. Januar 2016 888,54 Euro. Auf die Rückforderung der Beklagten in Höhe von 1.576,14 Euro zahlte die Beigeladene 904,60 Euro an die Beklagte zurück. Darüber hinaus teilte die Beigeladene der Beklagten Name und Anschrift des Klägers als mit Bankvollmacht verfügungsberechtigte Person über das Konto der Versicherten mit.

Mit Anhörungsschreiben gemäß § 24 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) vom 17. Februar 2016 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie beabsichtige, von diesem als Verfügendem einen Betrag in Höhe von 671,54 Euro von den für die Zeit vom 1. Dez...

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