Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragspsychotherapeutische Versorgung. Entziehung der Zulassung wegen Einstellung der vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit. Ruhen der Zulassung bei Pflege von Familienangehörigen. Ende der Zulassung bei Wegzug aus dem Bezirk des Praxissitzes
Leitsatz (amtlich)
Zur Beendigung und zur Entziehung der Zulassung wegen Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit infolge der Pflege naher Angehöriger.
Orientierungssatz
1. Maßgeblich für den Wegzug eines Berechtigten aus dem Bezirk seines Vertragsarzt- bzw Praxissitzes (§ 95 Abs 7 S 1 SGB 5) ist allein die Aufgabe der ärztlichen bzw psychotherapeutischen Niederlassung unter der konkreten Praxisanschrift; die Aufgabe des Wohnsitzes iS des § 7 BGB hat dabei keine Bedeutung.
2. Im Rahmen der Pflege naher Angehöriger könnte in Anlehnung an § 81 Abs 5 S 2 SGB 5 eine Verlängerung einer Ruhensanordnung auf bis zu 2 Jahre als angemessen angesehen werden, keinesfalls aber ein Zeitraum von 5 Jahren.
Tenor
Der Beschluss des Beklagten vom 24.11.2010 wird aufgehoben, soweit darin der Wegzug der Klägerin aus dem Zulassungsbezirk B-B…. festgestellt wurde.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 9/10 und der Beklagte zu 1/10, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über das Fortbestehen der Zulassung der Klägerin zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung.
Die Klägerin ist Diplom-Psychologin und wurde durch Beschluss des Beklagten vom 08.11.2000 als psychologische Psychotherapeutin zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassen.
Mit Schreiben vom 18.09.2009 teilte der Zulassungsausschuss für Ärzte und Psychotherapeuten der Klägerin mit, dass eine Überprüfung ihrer Abrechnung ergeben habe, dass die Klägerin seit dem Quartal IV/2005 nicht mehr an der vertragspsychotherapeutischen Versorgung teilnehme und keine Abrechnung mehr eingereicht habe. Auch in den Quartalen davor habe die Klägerin nicht in dem erforderlichen Umfang an der vertragspsychotherapeutischen Versorgung teilgenommen. Der Zulassungsausschuss forderte von der Klägerin eine diesbezügliche Stellungnahme an.
Mit Schreiben vom 22.12.2009 beantragte die Klägerin daraufhin das Ruhen ihrer Zulassung mit der Begründung, dass sie wegen der Pflege ihrer Mutter in der Vergangenheit und aktuell nicht einer vertragspsychotherapeutischen Versorgung teilnehmen könne. Mit Schreiben vom 25.03.2010 begründete die Klägerin den Ruhensantrag unter Beifügung ärztlicher Atteste insbesondere damit, dass sich der Gesundheitszustand ihrer Mutter, die in K lebt, seit 2004 derart verschlechtert habe, dass die Klägerin zwischen B und K habe pendeln müssen. Sie habe die laufenden Therapien allmählich beendet und kümmere sich seit 2006 ausschließlich um die Pflege ihrer Mutter. Die Suche nach geeigneten Pflegekräften sei erfolglos gewesen. Dem beigefügten ärztlichen Attest in lässt sich ebenfalls entnehmen, dass die Klägerin ihre Mutter seit 2006 praktisch rund um die Uhr pflege und es ihr aus diesem Grunde zur Zeit nicht möglich sei, ihrer Tätigkeit als Psychotherapeutin nachzukommen.
Der Zulassungsausschuss ermittelte zudem, dass die Klägerin an ihrer ursprünglichen Adresse in B zwar noch gemeldet aber nicht mehr wohnhaft sei.
Mit Beschluss vom 14.07.2010 entzog der Zulassungsausschuss der Klägerin die Zulassung zur Teilnahme an der vertragspsychotherapeutischen Versorgung. Zur Begründung führte er aus, dass die Klägerin ihre vertragspsychotherapeutische Tätigkeit bereits seit Jahren nicht mehr in nennenswertem Umfang ausgeübt habe und seit dem Quartal I/2006 keinen einzigen Abrechnungsschein mehr eingereicht habe. Ein Ruhen der Zulassung komme nicht mehr in Betracht, da die Aufnahme der vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit nach viereinhalb Jahren nicht mehr zu erwarten sei.
Gegen den Beschluss legte die Klägerin Widerspruch ein, den sie damit begründete, dass zunächst über das Ruhen der Zulassung entschieden werden müsse und dass sie dem Zulassungsausschuss im Vorfeld der Verhandlung mitgeteilt habe, dass eine Krankenhauseinweisung ihrer Mutter bevorstehe, weshalb die Klägerin davon ausgehe, wie Tätigkeit zeitnah wieder aufnehmen zu können. Die Pflege von Familienangehörigen sei ein anzuerkennender Ruhensgrund, weshalb die Zulassungsentziehung unverhältnismäßig und ermessensfehlerhaft sei.
Mit Beschluss vom 24.11.2010 (ausgefertigt an 12.01.2011) entzog der Beklagte unter Zurückweisung des Widerspruchs der Klägerin dieser die Zulassung zur Teilnahme an der vertragspsychotherapeutischen Versorgung verbunden mit der Feststellung des Wegzugs aus dem Zulassungsbezirk B-B… und lehnte den Antrag auf Ruhen der Zulassung ab. Zur Begründung führte er aus, dass die Zulassung zu entziehen gewesen sei, weil die Klägerin die vertragsärztliche Tätigkeit zwar aufgenommen, jedoch zu einem späteren Zeitpunkt wieder eingestellt habe. Ein Ruhen der Zulassung komme nicht mehr in Betracht, nachdem die ...