Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsarzt. Abrechnungsprüfung. Prüfgremien. Beurteilungsspielraum
Leitsatz (amtlich)
Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung ist der Bezug allein auf Abrechnungsdiagnosen und Ausschluss jeden weiteren Tatsachenvortrages im Verfahren vor den Prüfgremien beurteilungsfehlerhaft.
Tenor
Der Beschluss des Beklagten vom 14. Dezember 2017 wird aufgehoben und der Beklagte wird verpflichtet, über die Zufälligkeitsprüfung für die Quartale III/2012 bis II/2013 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Honorarkürzung wegen Unwirtschaftlichkeit der Gebührenordnungspositionen (GOP) 35100 und 35110 für die Quartale III/2012 bis II/2013.
Die Beigeladene zu 1) war im streitgegenständlichen Zeitraum als Frauenärztin zur vertragsärztlichen Versorgung in Berlin zugelassen.
Nachdem die Prüfungsstelle für die Wirtschaftlichkeitsprüfung in Berlin der Beigeladenen zu 1) mitgeteilt hatte, dass ihre Abrechnungsdaten im Rahmen der Zufälligkeitsprüfung mit dem Ziehungsquartal II/2013 für die Quartale III/2012 bis II/2013 geprüft würden, wurde sie am 19. Januar 2017 von der Prüfungsstelle zur Stellungnahme hinsichtlich der GOP 35100 und 35110 aufgefordert, “da diese für die Prüfungsstelle auch nach Abgleich mit den von der KV Berlin übermittelten Abrechnungs-Daten bezüglich entsprechender Diagnosen, Leistungsinhalte bzw. der wirtschaftlichen Auswahl abrechenbarer Behandlungskomplexe bzw. Pauschalen nicht nachvollziehbar erscheinen.„
In ihrer Stellungnahme vom 9. Februar 2017 teilte die Beigeladene zu 1) mit, dass sie auf die Betreuung von Carcinom Patientinnen spezialisiert gewesen sei und daher häufig auch die psychosomatischen Folgen der Carcinom Erkrankungen behandelt habe. Im Rahmen dieser Behandlung müssten Strategien zur Bewältigung posttraumatischer Belastungsstörungen mit verbaler Intervention oft verbunden mit Psychotherapien angeboten werden. Auch sonstige psychosomatische Beschwerden habe sie behandelt.
Mit Bescheid vom 1. März 2017 stellte die Prüfungsstelle eine Kürzung des Honorars der Beigeladenen zu 1) in Höhe von 4889,14 Euro für die Quartale III/2012 bis II/2013 fest. Dies begründete sie im Wesentlichen damit, dass im Rahmen der Zufälligkeitsprüfung von Amts wegen eine repräsentative Einzelfallprüfung durchgeführt worden sei. Die Regelprüfmethode nach Durchschnittswerten sei nicht durchführbar gewesen, da nur Abrechnungsdaten der in die Zufälligkeitsprüfung einbezogenen Ärzte übermittelt worden seien und somit keine Werte zum Vergleich vorgelegen hätten. Die GOP 35100 und 35110 seien Leistungen, für die die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Durchführung der Psychotherapie (PT-RL) gelte. Nach § 22 Abs. 1 PT-RL sei nur bei den genannten Indikationen eine Behandlung mit den Maßnahmen der psychosomatischen Grundversorgung zulässig. Voraussetzung für die psychosomatische Grundversorgung sei, dass der Arzt die ursächliche Beteiligung psychischer Faktoren an einem komplexen Krankheitsgeschehen festgestellt habe oder als wahrscheinlich annehmen müsse. Es sei für die Abrechnung der GOP von Bedeutung, die Auswirkung einer Erkrankung auf die Psyche in der Diagnose zu verdeutlichen. Die Leistungslegende der GOP 35100 erfordere explizit die Dokumentation der ätiologischen Zusammenhänge. Zwar wären die in der Stellungnahme der Ärztin genannten Erkrankungen anerkannt worden, wenn sie in ICD 10 Codierung auf dem Behandlungsschein vorgelegen hätten. Jedoch sei aus den Behandlungsscheinen kein ausreichender Bezug zu den Diagnosen der PT-RL zu ersehen. Wenn die Gespräche psychosomatische Erkrankungen (wie Magen-Darmbeschwerden, Rückenschmerzen, Atemwegserkrankungen und Herz-Kreislauferkrankungen) beinhalteten, müsse dies aus der Diagnose eindeutig hervorgehen. Ohne ausreichende Dokumentation sei der Leistungsinhalt der GOP 35100 und 35110 nicht erfüllt. Die Diagnosen seien nach ICD 10 zu verschlüsseln. Es könnten im Rahmen dessen nicht nur gesicherte Diagnosen, sondern auch Verdachtsdiagnosen, Zustand nach Diagnosen oder Ausschlussdiagnosen angegeben werden.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin Widerspruch eingelegt, in dem sie vortrug, dass die Prüfungsstelle eine Abrechnungsprüfung und keine Wirtschaftlichkeitsprüfung durchgeführt habe und für diese nicht zuständig sei.
Diesen wies der Beklagte mit Beschluss vom 14. Dezember 2017 zurück. Den Beschluss begründete er im Wesentlichen damit, dass er eine Wirtschaftlichkeitsprüfung durchgeführt habe. Dies ergebe sich aus den Kommentierungen zu § 106 a SGB V a.F.. Die dort genannten Prüfungsgegenstände der sachlich-rechtlichen Richtigstellung umfassten nicht die Prüfung der Indikation. Gegenstand der Wirtschaftlichkeitsprüfung sei die Übereinstimmung der Leistungen mit den anerkannten Kriterien für ihre fachgerechte Erbringung, insbesondere mit...