Leitsatz (amtlich)
Parallelentscheidung zu den Urteilen der 73. Kammer des Sozialgerichts Berlin (S 73 KR 2306/10 vom 10.08.2011 und S 73 KR 1635/11 vom 22.06.2011) , die vollständig dokumentiert sind.
Orientierungssatz
Parallelentscheidung zum Urteil des SG Berlin vom 22.6.2011 - S 73 KR 1635/10 und vom 10.8.2011 - S 73 KR 2306/10, die vollständig dokumentiert sind.
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 9. März 2010 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 13. Dezember 2010 wird insoweit aufgehoben, als Zusatzbeiträge für die Kalendermonate Februar bis Dezember 2010 erhoben wurden.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten des Rechtsstreites zur Hälfte zu erstatten.
4. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Erhebung des einkommensunabhängigen Zusatzbeitrages durch die beklagte Krankenkasse für die Zeiträume ab Februar 2010 in Höhe von monatlich 8,00 EUR.
Der Kläger ist bei der Beklagten Mitglied. Mit undatiertem Schreiben vom Februar 2010 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass ab 1. Februar 2010 ein Zusatzbeitrag von monatlich 8,00 EUR erhoben werde. Dieses Schreiben endet auf der ersten Seite “Mit freundlichem Gruß„. Es folgt ein “PS„. Ein Sonderkündigungsrecht findet auf dieser Seite des Schreibens keine Erwähnung. Auf der Rückseite befinden sich zwei Textblöcke. Der erste ist überschrieben: “Wir möchten Ihnen die Zahlung des Zusatzbeitrages so einfach und bequem wie möglich machen:„, der zweite: “Weitere allgemeine Hinweise„. Der erste Textblock weist eine kleinere Schrift als der Text der Vorderseite auf, der zweite Textblock ist in noch lesbarer, deutlich kleinerer Schrift als der Text der Vorderseite und des ersten Textblocks dargestellt. Als sechster Unterpunkt im zweiten Textblock erfolgen Ausführungen, die überschrieben sind mit: “Rechtsgrundlagen (Auszüge)„. Darin findet sich das wortwörtliche Zitat von § 175 Abs 4 Satz 5 SGB V.
Gegen dieses Schreiben wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 3. März 2010. Er erhielt daraufhin den Bescheid vom 9. März 2010 mit der Festsetzung des angekündigten Zusatzbeitrages. Dieser Bescheid enthielt keinen Hinweis auf ein Sonderkündigungsrecht. Der Kläger wandte sich gegen den Bescheid mit seinem Widerspruch vom 31. März 2010. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 2010 zurück. Sie erhebe von ihren Mitgliedern auf satzungsmäßiger Grundlage ab Februar 2010 einen Zusatzbeitrag unabhängig vom Einkommen der Versicherten von monatlich 8 EUR. Der Verwaltungsrat habe eine entsprechende Satzungsänderung am 28. Januar 2010 beschlossen. Diese sei durch das Bundesversicherungsamt genehmigt worden. Erhebe die Kasse Zusatzbeiträge, stehe den Mitgliedern ein Sonderkündigungsrecht zu.
Der Kläger verfolgt sein Begehren mit der Klage vom 3. Januar 2011 weiter. Er rügt, dass andere Kassen die Zusatzbeiträge nicht erheben würden und dies auch bei der Beklagten nicht erforderlich wäre, wenn diese ordentlich haushalten würde. Die Beiträge seien in den letzten Jahren immer wieder gestiegen, Zuzahlungen seien notwendig geworden. Dies dürfe nicht ins Uferlose gehen. Im Übrigen wünschte er ein Ruhen des Verfahrens bis zur Rechtskraft entsprechender Musterverfahren.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
1. den Bescheid der Beklagten vom 9. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2010 aufzuheben,
2. festzustellen, dass eine Pflicht des Klägers zur Zahlung von Zusatzbeiträgen nicht besteht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält ihre Entscheidung für zutreffend und verweist auf die Hinweise zum Sonderkündigungsrecht auf der Rückseite des Schreibens aus Februar 2010 und darauf, dass in der Mitgliederzeitschrift - Heft 2/2010 Seite 32 - und auf der Internetseite der Beklagten umfassend über das Sonderkündigungsrecht informiert worden sei. Zudem sei der Satzungsbeschluss ordnungsgemäß veröffentlicht worden.
Der Kammer haben außer den Prozessakten die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze, das Protokoll und den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Kammer konnte in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden, weil er mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung auf diese Folge hingewiesen worden war. Ein Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf Musterverfahren war nicht anzuordnen, weil entsprechende Musterverfahren für die Krankenkasse des Klägers mit vergleichbarer Fallkonstellation (neben dem ebenfalls am 10. August 2011 durch die Kammer entschiedenen Fall S 73 KR 2306/10) nicht bekannt sind und die Sache entscheidungsreif war.
Der Kläger hat Anspruch auf teilweise Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Dieser verletzt Rechte des Klägers, weil er rechtswidrig die Pflicht zur Zahlung von Zusatzbeiträgen für Zeiträume feststellen, in denen wegen unzur...