Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Medizinischer Dienst der Krankenversicherung. Ausschlusswirkung des § 275 Abs 1c SGB 5. zeitnahe Durchführung der Prüfung. Vergütungsanspruch eines Krankenhauses wegen stationärer Krankenbehandlung. keine Zurechnung eines Verschuldens des MDK zur Krankenkasse
Leitsatz (amtlich)
1. Beauftragt die Krankenkasse den MDK innerhalb der Frist gemäß § 275 Abs 1c S 2 SGB 5 mit einer Prüfung der stationären Verweildauer und stellt der MDK in diesem Rahmen das Vorliegen einer fehlerhaften Abrechnung wegen Kodierung unzutreffender Diagnosen und/oder Prozeduren fest, ist die Krankenkasse mit Einwendungen gegen die Abrechnung weder wegen der Überschreitung des Prüfauftrages durch den MDK noch wegen Nichteinhaltung der Prüffrist gemäß § 275 Abs 1c S 2 SGB 5 ausgeschlossen.
2. Im Rahmen der von § 275 Abs 1c S 1 SGB 5 geforderten zeitnahen Durchführung der Prüfung ist der Krankenkasse ein Verschulden des MDK nicht zurechenbar (vgl BSG vom 28.9.2006 - B 3 KR 23/05 R = SozR 4-2500 § 112 Nr 6; entgegen LSG München vom 4.10.2011 - L 5 KR 14/11 = KH 2012, 47).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung in Höhe von 1.493,64 € nebst Zinsen.
Die Klägerin ist Trägerin des in den Krankenhausplan des Landes Berlin aufgenommenen Krankenhauses W. . Dort wurde der bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Y. (geboren am … 1997) in der Zeit vom 01.04.2009 bis zum 05.04.2009 wegen einer Fehlbildung der Zehen vollstationär behandelt, wobei eine Korrektur der Fehlbildung stattfand.
Die Klägerin stellte der Beklagten mit Rechnung vom 30.04.2009 für die stationäre Behandlung einen Gesamtbetrag in Höhe von 6.415,86 € in Rechnung auf Grundlage der DRG I20A (Eingriffe am Fuß mit mehreren hochkomplexen Eingriffen oder mit hochkomplexem Eingriff mit komplexer Diagnose). Die Kodierung erfolgte unter Zugrundelegung der Hauptdiagnose Q70.2 (miteinander verwachsene Zehen) und der Prozeduren 5-918.3 (Syndaktylie- und Polydaktyliekorrektur der Zehen, Resektion gedoppelter Anteile) sowie 5-918.1 (Trennung einer kompletten Syndaktylie der Zehen).
Die Beklagte überwies den Rechnungsbetrag unter Vorbehalt und forderte die Klägerin mit Schreiben vom 06.05.2009 zur Übersendung eines Kurzberichtes hinsichtlich der Dauer der Krankheit und der nach dem 02.04.2009 durchgeführten Maßnahmen auf. Nachdem die Klägerin dieser Aufforderung zunächst nicht (vollständig) nachgekommen war, erteilte die Beklagte dem MDK mit Auftragsbogen vom 20.05.2009 einen Prüfauftrag. Als “Fragestellung„ kreuzte die Beklagte hierbei das Feld “Fallkategorie I (KHEntgG Fragen z. DRG)„ an und konkretisierte die Fragestellung in Textform wie folgt: “Keine PV. Ist die VWD medizinisch vertretbar? KH hat angeforderten KB nicht geschickt. Wäre anhand eines korrekt ausgefüllten KB die VWD med. beurteilbar + nachvollziehbar gewesen?„. Wegen des weiteren Inhalts des Prüfauftrages wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Der MDK (Gutachterin P. ) gelangte im Ergebnis der Begutachtung zu der Einschätzung, dass die am Aufnahmetag (01.04.2009) erfolgten Untersuchungen hätten ambulant durchgeführt werden können, dass aber die vollstationäre Behandlung in der Zeit vom 02.04.2009 bis zum 05.04.2009 medizinisch notwendig gewesen sei und dass überdies eine richtlinienkonforme Kodierung die DRG I20B (Eingriffe am Fuß mit mehreren komplexen Eingriffen oder hochkomplexen Eingriffen oder mit komplexem Eingriff mit komplexer Diagnose) ergäbe, wobei die Gutachterin die Diagnose Q69.9 (Überzählige(r) Finger oder Zehe(n) o.n.A.) als Hauptdiagnose zu Grunde legte und die Prozeduren 5-918.x und 5-918.1 nicht als kodierfähig ansah, da keine Syndaktylie vorgelegen habe.
Die Beklagte kündigte der Klägerin daraufhin mit Schreiben vom 06.08.2010 eine Korrektur der Abrechnung auf der Grundlage der DRG I20B an. Die Klägerin widersprach dem unter Hinweis auf die Überschreitung des Prüfauftrages durch den MDK und bestand auf der gestellten Abrechnung der DRG I20A für 3 Behandlungstage unter Übersendung einer auf 3 Behandlungstage korrigierten Abrechnung über einen Gesamtbetrag von 5.652,04 €. Nachdem die Klägerin den von der Beklagten ursprünglich überwiesenen Betrag vollständig an die Beklagte zurückgezahlt hatte, zahlte die Beklagte am 22.11.2010 einen Betrag in Höhe von 4.158,40 €, basierend auf der DRG I20B und 3 Behandlungstagen.
Am 02.02.2011 hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des Differenzbetrages zwischen der korrigierten Abrechnung (DRG I20A für 3 Behandlungstage = 5.652,04 €) und dem von der Beklagten tatsächlich gezahlten Betrag (DRG I20B für 3 Behandlungstage = 4.158,40 €) begehrt.
Die Beklagte holte im Gerichtsverfahren eine weitere gutachterliche Stellungnahme des MDK ein. Die Gutachterin Frau K. gelangte in dem Gutachten vom 14.09.2011 nach Auswertung der Krankenakten unter ...