Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. Anwendbarkeit auch auf Unionsbürger ohne materielles Aufenthaltsrecht. Sozialhilfe. Leistungsausschluss für dem Grunde nach Leistungsberechtigte nach dem SGB 2. Anwendbarkeit auch auf Unionsbürger mit Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 2. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Erwerbsfähige EU-Bürger, die sich nur zur Arbeitsuche in Deutschland aufhalten, haben weder einen Leistungsanspruch nach dem SGB II noch nach dem SGB XII.
2. Der Gesetzgeber hat in seiner Gesetzesbegründung unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass erwerbsfähige Ausländer von Leistungen nach dem SGB XII ausgeschlossen sein sollen.
3. Soweit das Bundessozialgericht meint, sich über den eindeutigen Willen des Gesetzgebers hinwegsetzen zu können, widerspricht dies dem verfassungsrechtlichen Prinzip der Gewaltenteilung.
4. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn Unionsbürger auf die Inanspruchnahme von Sozialleistungen in ihrem Heimatland verwiesen werden.
Orientierungssatz
§ 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 2 gilt erst Recht für solche EU-Ausländer, die keinerlei Recht zum Aufenthalt, also nicht einmal ein solches zur Arbeitsuche haben (vgl LSG Celle-Bremen vom 24.7.2014 - L 15 AS 202/14 B ER sowie BSG vom 3.12.2015 - B 4 AS 59/13 R).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld II (ALG II) und die Anwendbarkeit eines Leistungsausschlusses für Ausländer, die sich nur zur Arbeitsuche in Deutschland aufhalten.
Der 1980 geborene Kläger ist bulgarischer Staatsangehöriger und lebt seit 2010 in Deutschland. Er wohnte seitdem bei seiner Mutter, die selbst ALG II bezog und einer selbstständigen Tätigkeit als Rosenverkäuferin nachging. Anrechenbares Einkommen erzielte die Mutter des Klägers durch ihre Tätigkeit nicht. Der Kläger übte jedenfalls bis Ende des Jahres 2013 keine Beschäftigung aus. Für die von der Mutter des Klägers angemietete Wohnung hatte diese ab Dezember 2012 eine monatliche Gesamtmiete in Höhe von 692,93 Euro (307,93 Euro Nettokaltmiete, 142,00 Euro Betriebskostenvorauszahlungen, 212,00 Euro Heizkostenvorauszahlungen) zu entrichten.
Mit Schreiben vom 04.02.2013 beantragte der Kläger beim Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Dabei gab er im Rahmen des Antragsverfahrens an, bislang von seiner Mutter kostenfrei beherbergt und verpflegt worden zu sein.
Mit Bescheid vom 06.03.2013 versagte der Beklagte Leistungen unter Berufung auf eine Verletzung von Mitwirkungspflichten durch den Kläger und wies den dagegen eingelegten Widerspruch vom 12.03.2013 mit Widerspruchsbescheid vom 09.04.2013 zurück.
Der Kläger hat mit einem am 10.05.2013 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Klage erhoben. In Umsetzung eines vom Kläger in einem sozialgerichtlichen Eilverfahren erwirkten Beschlusses des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 14.06.2013 (L 25 AS 938/13 B ER) hat der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 14.06.2013 bis 13.12.2013 vorläufig Leistungen gewährt. Mit Bescheid vom 27.09.2013 hat der Beklagte den Leistungsantrag des Klägers vom 04.02.2013 abgelehnt und den dagegen eingelegten Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 08.11.2013 verworfen. Zur Begründung hat der Beklagte ausgeführt, dass der Kläger sich nur zur Arbeitssuche in Deutschland aufhalte und damit von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sei. Mit Schriftsatz vom 09.12.2013 hat der Kläger Klage gegen den Bescheid vom 27.09.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.11.2013 erhoben. Mit Bescheid vom 19.12.2013 hat der Beklagte einen erneuten Leistungsantrag des Klägers vom 17.09.2013 abgelehnt.
Der Kläger trägt vor, dass er nur bis zur Erbringung von Leistungen auf Grundlage des im gerichtlichen Eilverfahren erwirkten Beschlusses Unterstützungsleistungen seiner Mutter erhalten habe. In der von ihm genutzten Wohnung habe auch sein Bruder gelebt, der aber weder Einkommen erzielt, noch Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende erhalten habe. Der Kläger ist der Ansicht, dass ihm ein Anspruch auf ALG II in Form von Regelbedarf und Bedarfen für Unterkunft und Heizung in Höhe der hälftigen Gesamtmiete zustehe. Der vom Beklagten herangezogene Ausschlusstatbestand für Ausländer mit einem Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche sei mit dem Unionsrecht unvereinbar und dürfe auf ihn nicht angewendet werden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 27.09.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.11.2013 zu verurteilen, ihm ab dem 01.02.2013 ALG II zu gewähren.
Der Beklagte hat keinen förmlichen Klageantrag gestellt.
Er verteidigt seine Entscheidungen und trägt vor, dass der Kläger ein anderes Aufenthaltsrecht als das zur Arbeitssuche auch nicht von seiner Mutter ableiten könne. De...