Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. Betriebsweg. Unterbrechung. sachlicher Zusammenhang. eigenwirtschaftliche Tätigkeit. Ermahnen eines Verkehrsteilnehmers. tätliche Auseinandersetzung. privates Motiv. versperrte Einfahrt zum Arbeitsplatz. Bauleiter
Leitsatz (amtlich)
Kehrt eine als Beschäftigte iSv § 2 Abs 1 Nr 1 SGB 7 versicherte Person auf dem Weg zu ihrem PKW nochmals um, um einen Dritten, der die Einfahrt zu seiner Arbeit versperrt, aber nicht sein Wegfahren behindert, zu ermahnen, ist dies eine privatnützige Tätigkeit. Da diese Tätigkeit objektiv nicht mehr Betriebszwecken dienlich ist, steht die versicherte Person nicht mehr unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn sie bei der anschließenden Auseinandersetzung verletzt wird.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Der 1978 geborene Kläger, der als angestellter Bauleiter bei der B. GmbH arbeitet, begehrt die Anerkennung eines Ereignisses vom 28. Februar 2020 als Arbeitsunfall
Die Beklagte erfuhr durch einen Durchgangsarztbericht von der Charité - Campus Virchow Klinikum - davon, dass der Kläger von dem Zeugen D. einen Schlag in das Gesicht erhalten habe. Der Unfallvorgang wird dort wie folgt beschrieben:
„Einfahrt zu dem Betrieb des Verletzten wurde von Auto eines Unbekannten zugeparkt. Verletzter parkte daraufhin hinter diesem Auto und ging zu Fuß Werkzeug verladen. Nach Rückkehr Diskussion mit unbekanntem Fahrer des PKW, daraufhin schlug dieser dem Verletzten einmal in das Gesicht und traf ihn auf der linken Maxilla. Kein Bewusstseinsverlust, keine Amnesie zum Ereignis. Aktuell ausgeprägte Übelkeit ohne Erbrechen, Schwindel sowie Kopfschmerzen.“
Der Kläger wurde zunächst in die Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie aufgenommen. Am 13. März 2020 wurde der Kläger in der Charité - Campus Virchow Klinikum - operiert, dabei wurde eine Reposition und Osteosynthese der lateralen Mittelgesichtsfraktur links und eine Rekonstruktion des Orbitabodens links mittels Ethisorb-Patch durchgeführt. Am 9. Juni 2020 wurde das Material entfernt.
Die Beklagte forderte die Akte der Polizei zu dem Vorfall an, hinsichtlich des Inhalts wird auf den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen. Hierin findet sich u. a. ein „Äußerungsbogen“, in welchem der Zeuge D. den Vorfall beschreibt; hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.
Mit Schreiben vom 10. Juli 2020 hörte die Beklagte den Kläger zu ihrer Absicht an, das Ereignis vom 28. Februar 2020 nicht als Arbeitsunfall anzuerkennen. Der Streit sei nicht Ausfluss der versicherten Tätigkeit des Klägers gewesen. Ein betrieblicher Hintergrund des Streits sowie der körperlichen Auseinandersetzung sei nicht zu erkennen gewesen. Gleichzeitig bat die Beklagte die den Kläger behandelnden Ärzte, keine Behandlungen mehr zu ihren Lasten vorzunehmen.
Mit Schreiben vom 28. Juli 2020 meldete sich die Verfahrensbevollmächtigte des Klägers und teilte mit, dass sie Akteneinsicht in die Akten der Amtsanwaltschaft und anschließend Stellung nehmen werde. Mit einem auf den 15. Juli 2020 datierten Schreiben, welches per Fax am 17. August 2020 einging, teilte die Verfahrensbevollmächtigte mit, dass aus ihrer Sicht ein betrieblicher Hintergrund für den Streit gegeben sei, da sich das Ereignis auf dem Weg zur Arbeit und darüber hinaus auf dem Betriebsgelände ereignet habe. Anlass für den Streit sei anhaltendes Parken des vom Zeugen D. geführten LKWs in der Zufahrt des Betriebsgeländes. Dem Kläger sei es somit verwehrt geblieben, auf das Betriebsgelände zu fahren und seiner ihm übertragenen Tätigkeit nachzugehen. Mehrfachen Aufforderungen, die Zufahrt zum Gelände freizumachen, sei der Zeuge D. nicht nachgekommen. Der Kläger, der einen dringenden betrieblichen Termin wahrzunehmen hatte, habe sein Fahrzeug stehen lassen und zu Fuß weiter auf das Gelände gehen müssen. Als der Kläger kurze Zeit später zurückgekommen sei, sei er vom Zeugen D. als „egoistisches Arschloch" und „Scheiß-Ausländer" betitelt worden. Der Kläger sei daraufhin auf Herrn D. zugegangen, um ihm zu sagen, dass er auch nur seine Arbeit verrichten möchte und sich den Ton verbitte, wobei er „mit dem linken Arm geschlenkert“ habe. In diesem Moment wurde sei er vom Zeugen D. mehrere Meter weit immer wieder geschubst und mit der Faust mehrfach ins Gesicht geschlagen worden.
Mit Bescheid vom 6. Oktober 2020 lehnte die Beklagte es ab, das Ereignis vom 28. Februar als Arbeitsunfall anzuerkennen. Der Kläger habe keinen Versicherungsfall erlitten, ein Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung bestehe nicht. Voraussetzung für die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung sei das Vorliegen eines Versicherungsfalls. Ein Arbeitsunfall (Versicherungsfall) liege vor, wenn eine versicherte Person infolge einer versicherten Tätigkeit einen Unfall erleide. Unfälle seien zeitlich begrenzte, von außen auf den Kö...