Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenfahrten mit Mietwagen nach PBefG § 49 Abs 4. Pflicht der gesetzlichen Krankenkassen zum Abschluss von Vergütungsvereinbarungen. Kontrahierungszwang. kein Auswahlermessen der Krankenkassen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Aus § 133 SGB 5 folgt ein Kontrahierungszwang der gesetzlichen Krankenkassen dahin, zumindest mit solchen geeigneten und abschlussbereiten Krankentransportunternehmen und -einrichtungen Entgeltvereinbarungen zu treffen, deren Preisangebote nicht über den Sätzen in bestehenden Vereinbarungen liegen.

2. Eine Krankenkasse kann den Abschluss eines Vertrages gemäß § 133 SGB 5 nicht davon abhängig machen, dass das Krankentransportunternehmen vertragliche Regelungen über Inhalt, Umfang sowie Prüfung der Eignung, Qualität und Wirtschaftlichkeit von Krankentransportleistungen akzeptiert.

 

Orientierungssatz

Ein Auswahlermessen der Krankenkassen bei der Versorgung mit Krankentransportleistungen wäre mit Art 12 GG nicht in Einklang zu bringen (vgl BSG vom 20.11.2008 - B 3 KR 25/07 R = SozR 4-2500 § 133 Nr 3).

 

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, nach Vorlage einer die Klägerin zur Durchführung von Mietwagenverkehr gem. § 49 Abs. 4 Personenbeförderungsgesetz (PBefG) berechtigenden Genehmigung mit der Klägerin einen Vertrag über die Vergütung von Krankentransportleistungen gem. § 133 Abs. 1 SGB V nach Maßgabe der in bestehenden Vergütungsvereinbarungen vereinbarten Vergütungssätze zu schließen, ohne die folgenden Klauseln im Vertragsentwurf vom 6. Oktober 2005:

Teil 1:

§ 1 Abs. 2, 2. Spiegelstrich und Nr. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3, Nr. 5, Nr. 6, Nr. 7, Nr. 10, Nr. 12; § 2 Abs. 2, § 2 Abs. 4, § 2 Abs. 5 und in § 2 Abs. 6, § 4, § 5, § 7, § 8 Abs. 3 soweit die hierdurch aufgehobenen Klauseln der §§ 2, 4, 5 und 7 oder die hierdurch aufgehobenen Klauseln zur Dokumentationspflicht angesprochen werden, § 12 Satz 4 und der Teil des 5. Satzes ab “des weiteren, wenn keine der bei Abschluss der Vereinbarung…„ bis zum Ende des Satzes;

Teil 2:

§ 5 Abs. 1 Nr. 7.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte ab dem 01.04.2007 bis zum 15.04.2010 unter der Bedingung, dass die Genehmigung gem. § 49 Abs. 4 PBefG zu erteilen gewesen wäre, verpflichtet war, mit der Klägerin eine Entgeltvereinbarung gem. § 133 SGB V ohne die in Ziffer 1 genannten Klauseln nach Maßgabe der in bestehenden Vergütungsvereinbarungen vereinbarten Vergütungssätze zu schließen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte vom 31.05.2005 bis zum 31.03.2007 verpflichtet war, mit der Klägerin eine Entgeltvereinbarung ohne die in Ziffer 1 genannten Klauseln nach Maßgabe der in bestehenden Vergütungsvereinbarungen vereinbarten Vergütungssätze zu schließen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 4/5, die Klägerin zu 1/5.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den Abschluss eines Vertrags über die Vergütung von Krankentransportleistungen gem. § 133 Abs. 1 SGB V.

Die Klägerin ist ein am Berliner Markt tätiges Krankentransportunternehmen. Von März 2003 bis einschließlich März 2007 verfügte sie über eine Genehmigung nach § 49 Personenbeförderungsgesetz über den Verkehr mit Mietwagen. Die Genehmigung wurde nicht verlängert.

Im März 2005 beantragte die Klägerin gegenüber der Beklagten den Abschluss einer ortsüblichen Vereinbarung auf Grundlage der mit anderen Krankentransportunternehmen getroffenen Vereinbarungen über Vergütungssätze und Direktabrechnung. Im April 2005 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab, da kein Bedarf bestehe. Im Mai teilte sie sodann der Klägerin mit, dass gegenwärtig eine Marktbeobachtung und Analyse stattfinde und während dessen keine Verträge vereinbart würden.

Daraufhin erhob die Klägerin am 2. September 2005 Klage vor dem Sozialgericht Berlin, mit der sie zunächst beantragte, die Beklagte zu verpflichten, mit der Klägerin eine Vereinbarung gem. § 133 SGB V über Krankenfahrten mit Mietwagen unter Festlegung der Erbringungsumstände, der Kostensätze nebst der Modalitäten der Direktabrechnung zwischen Klägerin und Beklagter abzuschließen.

Mit Schreiben vom 6. Oktober 2005 übersandte die Beklagte der Klägerin einen Entwurf einer Vereinbarung gemäß § 133 SGB V über Krankenfahrten mit Mietwagen und erklärte ihre Bereitschaft, diesen Vertrag mit der Klägerin zu schließen. Der Vertragsentwurf sah als Vertragspartner der Klägerin neben der Beklagten, gleichzeitig handelnd für die Bundesknappschaft, den damaligen BKK Landesverband Ost (jetzt: BKK Landesverband Mitte), die BundesInnungskrankenkasse Gesundheit (BIG direkt gesund) sowie die Krankenkasse für Gartenbau, zugleich handelnd für die landwirtschaftliche Krankenversicherung Berlin, vor.

Der Entwurf enthält u.a. folgende Regelungen:

“Teil 1 Allgemeine Vereinbarung

§ 1

Gegenstand der Vereinbarungen

(1)…

(2) Voraussetzung für jede der folgenden Krankenfahrten ist:

-

-

die Versicherten aus zwingenden medizinischen Gründen die Strecke vom Abhol- zum Zielort nic...

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