Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Angemessenheitsprüfung. Zweipersonenhaushalt in Berlin. konkrete Angemessenheit. Prüfung der Verfügbarkeit bzw Anmietbarkeit angemessener Unterkünfte. Verfügbarkeitsquote

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Bestimmung, ob Wohnungen für Leistungsberechtigte zu den als angemessen erachteten Werten tatsächlich zur Verfügung gestellten stehen, ist ein Maß der Verfügbarkeit zu bestimmen. (Anschluss an SG Berlin vom 6.7.2021 - S 179 AS 1083/19 -).

2. In Orientierung an BSG vom 17.9.2020 - B 4 AS 22/20 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 111, ist für Berlin von einer ausreichenden Verfügbarkeit von Wohnraum auszugehen, wenn die als angemessen erachteten Werte die Anmietung von 33 % der im Streitzeitraum angebotenen Wohnungen in angemessener Größe ermöglichen.

 

Tenor

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 15.07.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.09.2016 verpflichtet, den Klägern unter Änderung des Bescheids vom 21.02.2014, der beiden Bescheide vom 08.08.2014, des Bescheids vom 03.03.2015 sowie des Bescheids vom 07.09.2015 weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung zu bewilligen, und zwar für den Zeitraum

- Januar 2014 bis Februar 2014 in Höhe von monatlich 28 Euro,

- März 2014 bis Mai 2015 in Höhe von monatlich 17 Euro

- Juni 2015 von 27 Euro und

- Juli 2015 von 5 Euro.

Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.

Der Beklagte hat den Klägern ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu einem Viertel zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über Ansprüche für Bedarfe der Unterkunft und Heizung im Zeitraum Januar 2014 bis Juli 2015 einschließlich einer Nachzahlung aus der Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2013.

Die 1957 und 1959 geborenen Kläger bewohnten im streitgegenständlichen Zeitraum eine 77 m² große 2,5-Zimmer-Wohnung in der O.-Straße … in … Berlin. Die Wohnung wurde über eine Ölheizung zentral beheizt und mit Warmwasser versorgt. Die beheizte Gebäudefläche betrug insgesamt 1319,34 m².

Für die Wohnung hatten die Kläger gemäß Mietvertrag vom 29.07.2007 eine monatliche Miete von insgesamt 557,- € zu zahlen, bestehend aus einer Netto-Kaltmiete von 407,- €, 75,- € Betriebskostenvorauszahlung und 75,- € Heiz- und Warmwasserkostenvorauszahlung. Ab dem 01.07.2015 erhöhte sich die Miete wegen erhöhter Betriebskostenvorauszahlungen auf insgesamt 652,- € (Netto-Kaltmiete 407,- €, Betriebskostenvorauszahlung 90,- €, Heiz- und Warmwasserkostenvorauszahlung 155,- €).

Mit Schreiben vom 11.04.2011 forderte der Beklagte die Kläger zur Senkung ihrer Mietkosten auf und teilte zugleich mit, dass er Kosten von 444,- € bruttowarm monatlich für angemessen erachtete. Die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung würden nur noch bis einschließlich 30.04.2012 übernommen. Mit Bewilligungsbescheid vom 13.02.2012 setzte der Beklagte die Kosten für Unterkunft und Heizung ab Mai 2012 auf 444,- € monatlich fest und erläuterte, dass zukünftige Mieterhöhungen sowie Betriebs- und Heizkostenabrechnungen nicht mehr berücksichtigt werden könnten.

Der Beklagte bewilligte beiden Klägern zusammen nachfolgend Bedarfe für Unterkunft und Heizung (BdUH) gemäß nachstehender Übersicht (und zwar jeweils gesamt-bruttowarm, mit Ausnahme von Juli 2015):

Mit … 

für den Monat…

wurden bewilligt…

Änderungsbescheid vom 22.01.2013

Jan 13

486,00 €

Feb 13

486,00 €

Änderungsbescheid vom 22.01.2013

Mrz 13

486,00 €

Apr 13

486,00 €

Änderungsbescheid vom 22.01.2013

Mai 13

486,00 €

Jun 13

486,00 €

Jul 13

486,00 €

Änderungsbescheid vom 21.02.2014

Aug 13

507,00 €

Änderungsbescheid vom 21.02.2014

Sep 13

507,00 €

Okt 13

507,00 €

Nov 13

507,00 €

Dez 13

507,00 €

Änderungsbescheid  vom 21.02.2014

Jan 14

507,00 €

Feb 14

507,00 €

Änderungsbescheid vom 08.08.2014

Mrz 14

518,00 €

Apr 14

518,00 €

Mai 14

518,00 €

Jun 14

518,00 €

Jul 14

518,00 €

Aug 14

518,00 €

Bewilligungsbescheid vom 08.08.2014

Sep 14

518,00 €

Okt 14

518,00 €

Nov 14

518,00 €

Dez 14

518,00 €

Jan 15

518,00 €

Feb 15

518,00 €

Bewilligungsbescheid vom 03.03.2015

Mrz 15

518,00 €

Apr 15

518,00 €

Mai 15

518,00 €

Jun 15

518,00 €

Änderungsbescheid vom 07.09.2015

 Jul 15

 437,40 € bruttokalt,

117,60 € Heizkosten

555,00 € bruttowarm

Unter dem 17.11.2014 rechnete die Vermieterin der Kläger die kalten und warmen Betriebskosten 2013 ab, woraus sich eine Nachzahlung von insgesamt 1.140,07 € ergab, die mit der Miete für Dezember 2014 fällig wurde. Unter dem 04.12.2014 reichten die Kläger die Betriebskostenabrechnung beim Beklagten ein. Dieser lehnte die Übernahme der Heiz- und Betriebskostennachzahlung für 2013 unter Verweis auf die Festsetzung der BdUH seit 01.05.2012 mit Bescheid vom 11.05.2015 ab.

Mit Anträgen vom 10.12.2015 beantragten die Kläger gemäß § 44 SGB X die Überprüfung der bewilligten BdUH für den Zeitraum Januar 2014 bis Juli 2015 sowie des Bescheids vom 11.05.2015. Die Klägerin zu 2. sei psychisch krank, leide an Depressionen und reagiere sehr empfindlich auf Stressbelastungen jeder Art. Es bestehe eine Lärmempfindlichkeit und ein starke...

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