Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeldanspruch. Unterbrechung des Leistungsbezuges durch Pflege eines Angehörigen. Erlöschen des Anspruchs nach vier Jahren. Geltendmachung. Hemmung der Ausschlußfrist. Gleichheitssatz. verfassungskonforme Auslegung
Leitsatz (amtlich)
1. Das Grundrecht nach Art 3 Abs 1 GG ist bei ausnahmsloser Anwendung des § 147 Abs 2 SGB 3 insoweit verletzt, als eine nicht hinreichend zu begründende Ungleichbehandlung von Arbeitslosen, die einen Leistungsbezug zur Ausübung einer Pflegetätigkeit iS des § 124 Abs 3 Nr 1 SGB 3 unterbrechen und sich nach Ablauf von zB vier Jahren der Pflegetätigkeit zum Weiterbezug von Arbeitslosengeld bei der Arbeitsverwaltung melden, gegenüber solchen Arbeitslosen erfolgt, die sich vor der Pflegetätigkeit nicht arbeitslos gemeldet haben und nach Ablauf der Pflegetätigkeit den vollen Anspruch auf Arbeitslosengeld verlangen können, wenn sie in der vor dieser Pflegetätigkeit liegenden Rahmenfrist die Anwartschaft erfüllt haben.
2. Bei der Auslegung des Begriffs des Geltendmachens des § 147 Abs 2 SGB 3 ist darüber hinaus wegen § 2 Abs 2 SGB 1 eine Differenzierung zwischen den verschiedenen Gründen des Aussetzens des Arbeitslosengeldanspruchs erforderlich.
3. Der Begriff des Geltendmachens iS des § 147 Abs 2 SGB 3 erfasst bei der daher zu fordernden engeren, verfassungskonformen Auslegung dieses Begriffs nicht den Fall, dass die Beendigung der Aussetzung des Leistungsbezuges wegen der Erbringung von Leistungen zur Pflege von Angehörigen iS des § 124 Abs 3 Nr 1 SGB 3 im Anschluss daran vom Berechtigten gefordert wird und die Arbeitsverwaltung zuvor eine Beendigung des Leistungsanspruches wegen des Beginns einer solchen Pflegetätigkeit nicht ausdrücklich beschieden hat.
4. Darüber hinaus ist ein § 147 Abs 2 SGB 3 einschränkender ungeschriebener Tatbestand anzunehmen, der zur Voraussetzung hat, dass eine Pflegetätigkeit iS des § 124 Abs 3 Nr 1 SGB 3 ausgeübt wurde. Die Rechtsfolge dieses Tatbestandes ist ein Hemmen des Ablaufs der Frist des § 147 Abs 2 SGB 3 für den Zeitraum der Ausübung dieser Pflegetätigkeit. Hemmen der Frist bedeutet dabei mit dem üblichen juristischen Sprachgebrauch, dass der Zeitraum der Pflegetätigkeit nicht in die Frist eingerechnet wird.
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe.
Die 1962 geborene Klägerin ist von Beruf Gartenbauingenieur. Sie arbeitete in diesem Beruf von September 1991 bis 15. November 1994 für die T Blumen-Handels-GmbH.
Sie beantragte am 5. Dezember 1994 Arbeitslosengeld und meldete sich an diesem Tag arbeitslos. Ausweislich der Arbeitgeber-Bescheinigung bezog sie von Mai bis November 1994 ein versicherungspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt von monatlich jeweils mehr als 2.600,00 DM. Die Klägerin war seit 1. April 1995 als Pflegeperson im Sinne des Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) zur Pflege ihrer 1893 geborenen Angehörigen Ch W tätig. Diese Tätigkeit hatte mindestens einen Umfang von 40 Stunden pro Woche. Die Angehörige war der Pflegestufe 3 i.S.d. SGB XI zugeordnet.
Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 4. Dezember 1995 Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 3. Dezember 1994 bis 31. März 1995 und veranlasste die entsprechende Nachzahlung.
Nachdem die Angehörige am 5. März 1999 verstorben war, meldete sich die Klägerin (am 6. März 1999) bei der Beklagten arbeitslos und verlangte die Zahlung von Arbeitslosengeld. Sie füllte dazu ein Antragsformular der Beklagten aus.
Mit Bescheid vom 15. März 1999 lehnte die Beklagte die Leistung von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe ab, weil die Klägerin für beide Leistungen jeweils die erforderlichen Anwartschaftszeiten nicht erfüllt habe. Der am 3. Dezember 1994 entstandene Anspruch auf Arbeitslosengeld sei nach § 147 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) erloschen. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 19. März 1999 mit Schreiben vom 15. März 1999 Widerspruch ein. Ihr sei im Hinblick auf das neue Gesetz zur Pflegeversicherung seinerzeit von der Beklagten mitgeteilt worden, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer der Pflege ruhe und die Klägerin nach Beendigung der Pflege weiter Arbeitslosengeld beziehen könne. Überdies könne nicht angehen, dass bei einem neuen Anspruch auf Arbeitslosengeld die Pflegezeit unberücksichtigt bleibe, während bei einem Restanspruch dessen Untergang nach vier Jahren bewirkt werde.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 6. April 1999 zurück und wiederholte ihre Begründung aus dem Ablehnungsbescheid.
Mit ihrer am 6. Mai 1999 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Die Klägerin beantragt,
1. den Bescheid der Beklagten vom 15. März 1999 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 6. April 1999 aufzuheben,
2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin seit dem 6. März 1999
Arbeitslosengeld, hilfsweise Arbeitslosenhilfe, zu gewähren,
3. Die Spr...