Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. sachlich zuständiger Unfallversicherungsträger. Verschmelzung von Unternehmen. Gesamtunternehmen. Doppelzuständigkeit. Prinzip der Katasterstetigkeit. einheitliche Zuständigkeitsbestimmung. Rechtmäßigkeit des Zuständigkeitsbescheides. Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand
Leitsatz (amtlich)
Bei der Verschmelzung von Unternehmen, die eine Doppelzuständigkeit nach sich ziehen würde, muss das Prinzip der Katasterstetigkeit zurücktreten, um den sachlich zuständigen Unfallversicherungsträger für das Unternehmen einheitlich zu bestimmen.
Orientierungssatz
1. Die Entscheidung ist unter dem Az L 21 U 217/16 beim LSG Berlin-Brandenburg anhängig.
2. § 136 Abs 4 SGB VII ist nach allgemeiner Auffassung dahingehend zu verstehen, dass Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand von der Erteilung eines Zuständigkeitsbescheids befreit sind; dh sie sind nicht verpflichtet, sehr wohl aber berechtigt, Beginn und Ende der Zuständigkeit durch Bescheid festzustellen.
Tenor
Der Bescheid der Beklagten “über die Feststellung der Zuständigkeit„ vom 11. Juli 2013, die beiden Veranlagungsbescheide der Beklagten vom 12. Juli 2013 und die Beitragsbescheide der Beklagten vom 13. September 2013 für die Jahre 2010, 2011 und 2012, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. November 2013, sowie der Beitragsbescheid der Beklagten vom 25. April 2014 für das Jahr 2013, der Beitragsbescheid der Beklagten vom 28. April 2015 für das Jahr 2014 und der weitere Beitragsbescheid der Beklagten vom 28. April 2015 für den Arbeitsmedizinisch-Sicherheitstechnischen Dienst (ASD) für das Jahr 2014, werden aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Sprungrevision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist in erster Linie streitig, ob die Beklagte der zuständige Unfallversicherungsträger für das Unternehmen der Klägerin ist.
Die Klägerin ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn AG und war zuvor (Ende 2009 bis Mitte 2016) eine 100%ige Tochtergesellschaft der DB Netz AG. Alleinige Gesellschafterin der DB Netz AG wiederum ist die Deutsche Bahn AG. Die DB Netz AG ist ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen. Sie war im Jahr 1999 im Zuge der zweiten Stufe der Bahnreform aus dem Vermögen der Deutschen Bahn AG ausgegliedert worden.
Zwischen den zuvor genannten Mutter- und Tochtergesellschaften bestanden bzw. bestehen jeweils Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge.
Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist laut Gesellschaftsvertrag die “Planung, Erstellung und Instandhaltung von Anlagen der Infrastruktur, insbesondere der Eisenbahninfrastruktur, einschließlich des Erbringens von Eisenbahnverkehrsleistungen sowie jegliche Tätigkeiten, die dem vorgenannten Zweck förderlich sind.„
Die Aufgaben der Klägerin wurden ursprünglich - bis zu einer Verschmelzung Mitte 2010 (dazu unten) - durch vier rechtlich selbständige Gesellschaften wahrgenommen, nämlich durch die DBB GmbH, die DBG GmbH, die DGT GmbH sowie die IBB GmbH. Die DBB GmbH war alleinige Gesellschafterin der drei anderen zuvor genannten Gesellschaften und war ihrerseits eine 100%ige Tochtergesellschaft der DB Netz AG. Wegen des Gegenstands der Unternehmen wird auf die entsprechenden Handelsregisterauszüge Bezug genommen.
Während die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen (Eisenbahn-Unfallkasse, im Folgenden vereinfachend: Beigeladene) ihre Zuständigkeit für die Unternehmen der DBB GmbH und der DBG GmbH festgestellt hatte (Bescheide vom 16. Juli 2003 und vom 22. Mai 2006), hatte die Rechtsvorgängerin der Beklagten (Tiefbau-Berufsgenossenschaft, im Folgenden vereinfachend: Beklagte) die DGT GmbH sowie die IBB GmbH in ihr Unternehmerverzeichnis eingetragen (Aufnahmebescheide vom 24. März 1995, vom 4. Januar 1996 und vom 27. September 1993).
Bereits im Jahr 2006 hatte die DGT GmbH bei der Beklagten beantragt, ihr Unternehmen an die Beigeladene zu überweisen, weil sie im Sinne von § 126 Nr. 3 SGB VII (in der seinerzeit gültigen Fassung; im Folgenden: a. F.) “wie ein Hilfsunternehmen„ den Zwecken des Betreibens der Eisenbahninfrastruktur diene. Nach einer entsprechenden Ablehnungsentscheidung der Beklagten hatte die DGT GmbH gegen die Beklagte einen Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Berlin (Aktenzeichen: S 163 U 454/07) geführt, der nach einer im Jahr 2010 erfolgten Verschmelzung (dazu unten) übereinstimmend für erledigt erklärt worden war.
Am 23. November 2009 übernahm die DB Netz AG (auch) sämtliche Anteile an der Klägerin, welche seinerzeit noch unter DBE Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH firmierte. Außerdem wurde im Dezember 2009 ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zwischen diesen beiden Gesellschaften abgeschlossen.
Mit Schreiben vom 4. Februar 2010 wies die Beigeladene die Klägerin darauf hin, dass sie (die Beigeladene) die Zuständigkeit als gesetzlicher Unfallversicherungsträger für deren Unternehmen festgestellt habe, und bestätigte den Beginn der Mitgliedschaft des Untern...