Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhaus. Beweislast hinsichtlich des Bestehens einer Krankenversicherung von behandelten Patienten

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Beweislast eines Krankenhauses betreffend das Bestehen einer Krankenversicherung von behandelten Patienten, insb. zu einer etwaigen Beweislastumkehr und den Voraussetzungen für die Annahme eines Beweises des ersten Anscheins (prima-facie-Beweis).

 

Orientierungssatz

Az beim LSG Berlin-Potsdam L 9 KR 494/14

 

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 34.395,62 € nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.03.2008 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um Krankenhausbehandlungskosten in Höhe von 34.395,62 €.

Die Klägerin betreibt das Bundeswehrkrankenhaus in Berlin. Am 18.02.2008 nahm dieses die 1959 geborene Frau E. B. (nachfolgend “Patientin„) über die Ambulanz als Notfall auf. In der vorliegenden Unabweisbarkeitsbescheinigung ist als Adresse der Patientin die B…str. in Berlin angegeben. Die Patientin wurde bis zu ihrem Tod am 02.03.2008 im Krankenhaus versorgt. Sie bezog bis einschließlich November 2007 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) und war aufgrund dessen Pflichtmitglied der Beklagten. Sie hatte nach Ablauf des Bewilligungszeitraums Ende November 2007 keinen Weiterbewilligungsantrag gestellt. Wovon sie ihren Lebensunterhalt ab Dezember 2007 bestritt, ist nicht bekannt.

Im März 2008 übermittelte die Klägerin der Beklagten einen Antrag auf Übernahme der Kosten der stationären Behandlung, den die Beklagte ablehnte. Daraufhin wandte sich die Klägerin im April 2008 an das Bezirksamt Mitte von Berlin. Dieses lehnte die Kostenübernahme unter Hinweis auf den Nachrangigkeitsgrundsatz des § 2 SGB XII und die gem. § 5 Abs. 1 Nr. 13 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) bestehende sog. Auffangversicherung ebenfalls ab.

Nach Durchführung weiterer Recherchen, u.a. beim Jobcenter Berlin Mitte, das mit Schreiben vom 27.05.2009 an die Klägerin mitteilte, dass die Patientin nur bis 30.11.2007 Leistungen bezogen habe und nicht bekannt sei, ob sie danach verzogen sei oder anderweitig Leistungen bezogen habe, wandte sich die Klägerin im Mai 2010 erneut an die Beklagte, die die Kostenübernahme weiterhin ablehnte.

Mit ihrer am 30.11.2011 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Sie macht geltend, die Patientin sei während des Behandlungszeitraums gem. § 5 Abs. 1 Nr. 13 a SGB V Pflichtmitglied der Beklagten gewesen. Die Versicherungspflicht setze keinen Antrag voraus, sie entstehe kraft Gesetzes. Die Patientin sei unstreitig bis zum 30.11.2007 Mitglied der Beklagten gewesen. Für den anschließenden Zeitraum gebe es keine Anhaltspunkte für eine anderweitige Absicherung. Weder habe die Patientin im Behandlungszeitpunkt Leistungen nach dem SGB II bezogen, noch sei sie inhaftiert gewesen. Sie habe auch keinen Anspruch auf Nothilfe gem. § 25 SGB XII gehabt, da sie weder im Rentenalter noch dauerhaft voll erwerbsgemindert gewesen sei.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihr 34.395,62 € nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.03.2008 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie vertritt die Ansicht, die Patientin habe im Behandlungszeitraum nicht in einem Pflichtversicherungsverhältnis mit ihr gestanden. Die Klägerin habe nichts dazu vorgetragen, dass die Patientin im Zeitraum 30.11.2007 bis 02.03.2008 krankenversichert gewesen sei. Sie habe auch nicht vorgetragen, ob ein anderer Leistungsträger vorrangig leistungspflichtig sei. Es sei auch nicht ersichtlich, aus welchen Gründen das Sozialamt die Kosten nicht übernommen habe. Hierzu verweist die Beklagte darauf, dass Leistungen der Sozialhilfe gem. § 5 Abs. 8a S. 2 SGB V vorrangig gegenüber Leistungen aus der Auffangpflichtversicherung des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V seien und bezieht sich auf das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen vom 18.05.2011 (L 12 SO 60/09).

Mit Schriftsatz vom 29.01.2014 teilte die Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg mit, dass sich aus dem Versicherungskonto keine Hinweise auf die Krankenversicherung der Patientin ab Dezember 2007 ergeben würden. Der damalige behandelnde Arzt der Patientin, Herr Dr. F. F. B, äußerte sich in seinem Schriftsatz vom 23.06.2014 dahin, dass die Patientin von Dezember 2007 bis 17.02.2008 in seiner ambulanten Behandlung gestanden habe und die Abrechnung der erbrachten ärztlichen Leistungen über eine vorgelegte Krankenversichertenkarte der Beklagten erfolgt sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hiermit ihr Einverständnis erklärt haben.

Die zulässige Klage i...

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