Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Versicherungspflicht. Auffangpflichtversicherung. Krankenhauspatient. Übernahme der Kosten einer Krankenhausbehandlung. Anspruch auf anderweitige Absicherung im Krankheitsfall. Anscheinsbeweis. Beweislast. Amtsermittlung. Beginn der Mitgliedschaft

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Anscheinsbeweis und zur Beweislast nach der bis zum 31. Juli 2013 geltenden Rechtslage bei der Frage, ob ein Anspruch auf anderweitige Absicherung im Krankheitsfall (§ 5 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB V) gegeben ist.

 

Normenkette

SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 13, Abs. 8a, § 19 Abs. 2, § 174 Abs. 5, § 186 Abs. 11 S. 1; SGB XII § 48; SGB X § 20; SGG § 128 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. November 2014 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um Krankenhausbehandlungskosten i.H.v. 34.395,62 Euro.

Die Klägerin betreibt das Bkrankenhaus in B. Am 18. Februar 2008 nahm dieses die 1959 geborene E B (nachfolgend “Patientin„) über die Ambulanz als Notfall (aufgrund der Diagnosen Rechtsherzversagen, Asthma bronchile und COPD) auf. In der vorliegenden Unabweisbarkeitsbescheinigung ist als Adresse der Patientin die Bstraße in B angegeben. Die Patientin wurde bis zu ihrem Tod am 2. März 2008 im Krankenhaus versorgt. Sie bezog bis einschließlich 30. November 2007 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II), war aufgrund dessen bis zu diesem Zeitpunkt Pflichtmitglied der Beklagten und hatte nach Ablauf des Bewilligungszeitraums Ende November 2007 keinen Weiterbewilligungsantrag gestellt. Wovon sie ihren Lebensunterhalt ab Dezember 2007 bestritt, ist nicht bekannt.

Im Zeitraum vom 1. Dezember 2007 bis zum 17. Februar 2008 war die Patientin in ambulanter Behandlung bei dem Facharzt für Innere Medizin B. Die Behandlung wurde ausschließlich über die von der Beklagten ausgehändigte Krankenversicherungskarte abgerechnet.

Auf Antrag des Krankenhauses hatte das Amtsgericht Tiergarten den Zeugen R P vorläufig zum Betreuer der Patientin bestellt (Beschluss vom 21. Februar 2008, Az.: 50 XVII 6675). Am 28. Februar 2008 war beim Amtsgericht Wedding wegen eines vier Monate umfassenden Mietrückstandes Räumungsklage erhoben worden. Ein Nachlassverfahren bezüglich der Patientin wurde nicht durchgeführt.

Die der Patientin ausgehändigte Krankenversicherungskarte der Beklagten hatte eine Gültigkeit bis 31. März 2011. Die Beklagte versuchte in einem sog. Rückholverfahren, beginnend am 29. Februar 2008 durch einen Brief an die Patientin, die Krankenversicherungskarte von dieser zurückzuerhalten. Da die Patientin dieser Aufforderung nicht nachkam bzw. ihr nicht mehr nachkommen konnte, wurden weitere Maßnahmen seitens der Beklagten nicht mehr ergriffen. Das Rückholverfahren wurde im Mai 2008 mit internem Vermerk bei der Beklagten eingestellt.

Mit Schreiben vom 6. März 2008 übermittelte das Krankenhaus der Beklagten einen Antrag auf Übernahme der Kosten der stationären Behandlung, den diese ablehnte. Daraufhin wandte sich das Krankenhaus im April 2008 an das Bezirksamt Mitte von Berlin. Dieses lehnte die Kostenübernahme unter Hinweis auf den Nachrangigkeitsgrundsatz des § 2 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) und die gem. § 5 Abs. 1 Nr. 13 Sozialgesetzbuch / Fünftes Buch (SGB V) bestehende sog. Auffangpflichtversicherung ebenfalls ab.

Nach Durchführung weiterer Recherchen, u.a. beim Jobcenter Berlin Mitte, das mit Schreiben vom 27. Mai 2009 an das Krankenhaus mitteilte, dass die Patientin nur bis 30. November 2007 Leistungen bezogen habe und nicht bekannt sei, ob sie danach verzogen sei oder anderweitig Leistungen bezogen habe, wandte sich dieses im Mai 2010 erneut an die Beklagte, die die Kostenübernahme weiterhin ablehnte. Eine weitere Zahlungsaufforderung des Krankenhauses im Juli 2016 lehnte die Beklagte wiederum ab.

Weder aus der Leistungsakte des Jobcenters Berlin Mitte, aus der Gerichtsakte des Amtsgerichts Tiergarten, Az. 50 XVII 6675, aus Ermittlungen zu einer etwaigen Nachlassakte, aus Ermittlungen zu Personenstandsurkunden einer Schwester der Patientin noch aus Ermittlungen zur Bezahlung der Bestattung der Patientin ergaben sich Rückschlüsse auf eine etwaige Mitgliedschaft der Patientin bei der Beklagten im Behandlungszeitraum.

Mit ihrer am 2. Dezember 2011 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt. Sie hat geltend gemacht, die Patientin sei während des Behandlungszeitraums gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 a) SGB V Pflichtmitglied der Beklagten gewesen.

Mit Urteil vom 20. November 2014 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, der Klägerin 34.395,62 Euro nebst Zinsen i.H.v. zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. März 2008 zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe einen Anspruch auf Krankenhausvergütung aus § 109 Abs. 4 SGB V i.V.m. § 7 Satz 1 Nr. 2 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) sowie dem...

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