Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Kostenfestsetzung. Anwaltskosten im Vorverfahren. Kostenerstattungsanspruch gem § 63 Abs 1 S 1 SGB 10. keine Rechnungslegungspflicht des Rechtsanwalts gegenüber seinem Mandanten

 

Leitsatz (amtlich)

Die Rechnungslegung des Rechtsanwalts gegenüber seinem Mandanten ist nicht Voraussetzung für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 63 SGB 10.

 

Tenor

Unter Abänderung des Bescheides des Beklagten vom 29. August 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2012 wird der Beklagte verpflichtet, 566,44 € als notwendige Kosten des Widerspruchsverfahrens… an den Prozessbevollmächtigten der Kläger zu zahlen.

Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu tragen.

Die Berufung wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Begleichung der notwendigen Kosten der Kläger für das Widerspruchsverfahren W…

Mit Bescheid vom 16. Februar 2012 half der Beklagte dem Widerspruch der Kläger in dem Widerspruchsverfahren W … in vollem Umfang ab. Er werde die im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten auf Antrag erstatten, soweit sie notwendig waren und nachgewiesen werden.

Mit Schreiben vom 23. Februar 2012 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Kläger die Festsetzung der folgenden außergerichtlichen Kosten der Kläger für das Widerspruchsverfahren und bat um Überweisung auf sein Konto:

Geschäftsgebühr, Zi. 2400, 1008 VV RVG:

456,00 €

Auslagenpauschale, Zi. 7002 VV RVG:

20,00 €

Zwischensumme:

476,00 €

Mehrwertsteuer, Zi. 7008 VV RVG:

90,44 €

Gesamtbetrag:

566,44 €

Mit Bescheid vom 29. August 2012 teilte der Beklagte gegenüber den Klägern mit, dass sie auf ihren Kostenfestsetzungsantrag vom 23. Februar 2012 gegenüber ihrem Bevollmächtigten in Höhe der von diesem für das Widerspruchsverfahren W … geltend gemachten Vergütung von insgesamt 566,44 € freigestellt werden. Eine Kostenerstattung könne nur erfolgen, wenn der Mandant die Vergütungsforderung des Rechtsanwalts beglichen hat. Ausreichend sei jedoch, dass der Mandant einer Vergütungsforderung des Rechtsanwalts tatsächlich ausgesetzt sei. In diesen Fällen könne er verlangen, von der Vergütungsforderung freigestellt zu werden. Der Rechtsanwalt habe gegenüber den Klägern seinen Vergütungsanspruch nicht abgerechnet.

Den Widerspruch der Kläger, eine Abrechnung sei nicht erforderlich, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. September 2012 zurück. Zwar bestehe eine positive Kostengrundentscheidung, die Vergütung des Rechtsanwalts sei jedoch nicht einforderbar, da keine den Anforderungen des § 10 Abs. 1 und 2 RVG genügende Berechnung übermittelt worden sei. Der Prozessbevollmächtigte habe weder nachgewiesen noch anwaltlich versichert, seinem Auftraggeber eine Rechnung gemäß § 10 RVG gestellt zu haben. Er habe auch nicht vorgetragen, aufgrund einer Abtretung selbst Inhaber der Forderung zu sein. Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Sinne von § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X seien nur solche Gebühren und Auslagen, die ein Rechtsanwalt seinen Mandanten in Rechnung gestellt habe.

Mit ihrer am 21. September 2012 erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.

Sie beantragen,

den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 29. August 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2012 zu verpflichten, die mit einem Betrag in Höhe von 566,44 € festgesetzten notwendigen Aufwendungen der Kläger in dem Widerspruchsverfahren W … auf das Konto des Bevollmächtigten bei der D. K., BLZ …, Kto.-Nr. … zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er beruft sich auf die Begründung in den angefochtenen Bescheiden.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Kläger: Schreiben vom 6. Oktober 2015, Beklagter: Schreiben vom 19. Oktober 2015).

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hiermit ihr Einverständnis erklärt haben.

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Bescheid vom 29. August 2012 ist in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2012 insoweit rechtswidrig, als der Beklagte die Kläger darin lediglich gegenüber ihrem Bevollmächtigten von der geltend gemachten Vergütung freigestellt hat und sich nicht zur Zahlung dieser Vergütung an den Bevollmächtigten verpflichtet hat.

Die Kläger haben einen Kostenerstattungsanspruch nach § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X. Danach hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?