Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Krankenversicherung. Hilfsmittelversorgung. Erstattung der Kosten für die Miete einer motorisierten Schulterbewegungsschiene. therapeutischer Nutzen. keine Verbindlichkeit des Hilfsmittelverzeichnisses
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob die Behandlung mit motorisierten Bewegungsschienen eine "Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode" iS des § 135 Abs 1 SGB 5 ist.
Orientierungssatz
1. Den Spitzenverbänden der Krankenkassen steht keine gesetzliche Ermächtigung zu, ihre Leistungspflicht gegenüber den Versicherten durch das Hilfsmittelverzeichnis im Sinne einer Positivliste abschließend festzulegen (vgl BSG vom 23.8.1995 - 3 RK 7/95 = SozR 3-2500 § 33 Nr 16, vom 17.1.1996 - 3 RK 16/95 = SozR 3-2500 § 33 Nr 20, vom 16.4.1998 - B 3 KR 9/97 R = SozR 3-2500 § 33 Nr 27 sowie vom 29.9.1997 - 8 RKn 27/96 = SozR 3-2500 § 33 Nr 25).
2. Das Hilfsmittelverzeichnis schafft lediglich eine Auslegungshilfe, die zudem im Streitfall für die Gerichte unverbindlich ist (vgl BSG vom 10.4.2008 - B 3 KR 8/07 R = SozR 4-2500 § 127 Nr 2).
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 26. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 2009 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 436,00 EUR nebst 4 Prozent Zinsen seit dem 1. September 2009 zu zahlen.
3. Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreites zu erstatten.
4. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten für die Miete einer motorisierten Schulterbewegungsschiene.
Die 1938 geborene Klägerin stürzte im Dezember 2008. Dabei brach sie sich das Schultergelenk. Die Fraktur wurde erst später diagnostiziert. Am 20. Februar 2009 erfolgte eine Operation, dazu hielt sich die Klägerin vom 19. bis 25. Februar 2009 im Krankenhaus auf. Während des Aufenthalts im Krankenhaus wurde die Klägerin nach der Operation mit einer motorisierten Schulterbewegungsschiene behandelt und ihr wurde unter dem 23. Februar 2009 eine Motorschiene zur passiven Bewegung der Schulter für die Zeit von sechs Wochen nach der OP verordnet.
Die Klägerin reichte den Kostenvoranschlag der … GmbH (Gesamtsumme 596,43 EUR) am 23. Februar 2009 bei der Beklagten ein. Die Beklagte holte die schriftliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) vom 26. Februar 2009 (Dr. K …) ein. Mit Bescheid vom 26. Februar 2009 lehnte sie die Übernahme der Mietkosten für die Schulterbewegungsschiene ab. Nach den neuesten medizinischen Erkenntnissen sei ein therapeutischer Nutzen für die häuslich durchgeführte Motorschienenbehandlung nicht nachgewiesen. Insbesondere sei nicht belegt, dass die Behandlung gegenüber der Physiotherapie überlegen sei. Der Nachteil bestehe darin, dass keine selbständige Anpassung an die vorhandenen Bewegungsausmaße möglich sein. Deshalb hätten die Spitzenverbände der Krankenkassen die CPM-Schienen aus dem Hilfsmittelverzeichnis gestrichen. Das Gutachten des MDK habe ebenfalls eine Kostenübernahme nicht befürwortet.
Dagegen legte die Klägerin Schreiben vom 2. März 2009 Widerspruch ein. Auf Grund seiner umfangreichen Untersuchungen und Vorbehandlungen halte der behandelnde Arzt das verordnete Hilfsmittel bei der speziellen Erkrankung der Klägerin für erforderlich.
Am 3. März 2009 lieferte die … GmbH für einen Zeitraum von vier Wochen die Schulterbewegungsschiene und stellte am 31. März 2009 eine Rechnung in Höhe von 436,00 EUR. Diesen Betrag überwies die Klägerin am 9. April 2009.
Die Beklagte holte die Stellungnahme des MDK (Dr. R) vom 15. Mai 2009 ein. Danach erfolgte keine vom Erstgutachten abweichende Beurteilung. Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 31. Juli 2009 den Widerspruch zurück. Wegen der Gründe im Einzelnen wird auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen.
Mit ihrer Klage vom 27. August 2009 verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Die Klägerin beantragt,
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1. |
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den Bescheid der Beklagten vom 26. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 2009 aufzuheben, |
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2. |
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die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 436,00 EUR nebst 4 Prozent Zinsen seit dem 1. September 2009 zu zahlen. |
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält ihre Entscheidung für zutreffend und verweist auf die Stellungnahmen des MDK.
Das Gericht hat im vorbereitenden Verfahren das orthopädische Gutachten vom 29. Januar 2010 bei Dr. S und dessen ergänzende Stellungnahme vom 20. Juli 2010 eingeholt. Wegen der Ergebnisse der Beweiserhebung wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
Der Kammer haben außer den Prozessakten die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze, das Protokoll und den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung von 436,00 EUR nebst 4 Prozent Zinsen seit dem 1. September 2009. Der angefochtene Besc...