Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Aufhebung der vorläufigen Bewilligung von Leistungen wegen Einkommenserzielung. Wohngeldanteil. Einschränkung der Aufhebungsmöglichkeit. Kürzung der Erstattungsforderung. Umsetzung nach § 44 SGB 2. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Die Regelung des § 40 Abs 2 SGB 2, wonach redlichen Leistungsbeziehern bei nachträglichem Wegfall des Arbeitslosengeld-II-Anspruchs ein Wohngeldanteil in Höhe von 56% der Kaltmiete plus kalte Betriebskosten zusteht, beruht darauf, dass auch mit Bezug von nur einem Euro Ansprüche nach dem Wohngeldgesetz (juris: WoGG) ausgeschlossen sind. Diese Ansprüche will man dem Bezieher von Arbeitslosengeld II, dessen Anspruch infolge des Zuflusses von Einkommen entfällt, in Form einer Kürzung der Erstattungsforderung geben.
2. Es ist kein tragfähiger Grund dafür erkennbar, Erstattungspflichtige nach § 328 Abs 3 SGB 3 schlechter zu stellen als Personen, die nach §§ 48, 50 SGB 10 Leistungen zurückzahlen müssen. In beiden Fällen sind die Leistungen nach dem SGB 2 rechtmäßig gezahlt und gutgläubig entgegengenommen worden und es bestand vor Zufluss des Einkommens keine Möglichkeit, den Bezug von Arbeitslosengeld II mit Wohngeld plus Einkommen zu überwinden. Art 3 GG gebietet eine Gleichbehandlung.
3. Eine § 40 Abs 2 SGB 2 entsprechende Reduzierung der Forderung ist über § 44 SGB 2 umzusetzen, wenn § 40 Abs 2 SGB 2 wegen des Verweises auf § 50 SGB 10 bei Erstattungsforderungen nach § 328 Abs 3 SGB 3 für nicht anwendbar gehalten wird.
Tenor
Der Bescheid vom 14.1.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.3.2010 wird dahingehend abgeändert, dass die Klägerin für April 2009 einen Betrag von 461,85 €, für Mai 2009 einen Betrag von 361,10 € und für August 2009 einen Betrag von 473,68 € zu erstatten hat.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte erstattet 1/5 der außergerichtlichen Kosten.
Tatbestand
Streitig ist, welche Leistungsansprüche der Klägerin in den Monaten April, Mai und August 2009 im Vergleich zu den vorläufig erbrachten Auszahlungen endgültig zustehen.
Die Klägerin hatte bis zum 8.6.2008 Anspruch auf Arbeitslosengeld nach dem SGB III (Alg I) in Höhe von 637,20 € monatlich. Danach bezog sie Alg II, auf das Kindergeld abzüglich einer Versicherungspauschale von 30 € angerechnet wurde. Für ein Kraftfahrzeug zahlte die Klägerin monatlich einen Haftpflichtbeitrag von 53,03 €.
Für den Folgebewilligungszeitraum April bis September 2009 waren vorläufig Leistungen unter Abzug von Kindergeld in Höhe von 134 € gewährt worden (Bescheid vom 18.3.2009).
Am 21.3.2009 unterzeichnete die Klägerin einen befristeten Arbeitsvertrag als Wahlhelferin für die Zeit vom 30.3. bis zum 17.6.2009. Ende April erhielt sie eine Zahlung von 720,85 €, die das Gehalt für März und April beinhaltet. Am 6.5.2009 war ein Gehaltsabschlag von 395 € auf das Konto der Klägerin geflossen, Ende Mai erfolgte die Restzahlung in Höhe von 1069,23 €.
Ende August 2009 wurden 713,90 € überwiesen bei einem Brutto von 1.052,24 €.
Für die Zeit ab 12.8.2009 konnte die Klägerin eine Weiterbeschäftigung als Wahlhelferin finden. Ihrer Bitte, die Alg II-Zahlung einzustellen, wurde ab September entsprochen. Für August erhielt sie noch Alg II, auf das nur 134 € Kindergeld angerechnet worden war (Änderungsbescheid vom 3.9.2009).
Im Rahmen der endgültigen Ermittlung der der Klägerin zustehenden Leistungen wurde für die Monate April, Mai und August 2009 eine Überzahlung von 1528,69 € über § 328 Abs. 3 SGB III zurückgefordert (Bescheid vom 14.1.2010).
Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 18.3.2010) die am 14. April 2010 beim Sozialgericht Berlin erhobene Klage auf Neuberechnung der Leistungen bzw. Aufhebung der Rückforderung.
Die Klägerin macht geltend, in den Monaten des Gehaltszuflusses am Monatsende auf das Alg II angewiesen gewesen zu sein. Sie habe die Arbeitsaufnahme unverzüglich mitgeteilt und für August gebeten, kein Alg II mehr zu zahlen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 14.1.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.3.2010 aufzuheben.
Die Beklagtenvertreterin beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zum übrigen Sach- und Streitstand wird ergänzend auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die beigezogenen Leistungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Gegenstand des Verfahrens ist die Prüfung, welche Leistungen die Klägerin in den Monaten April, Mai und August 2009 endgültig beanspruchen kann. Danach bestimmt sich, welche Summen infolge der Vergütung aus der Erwerbstätigkeit überzahlt wurden und nach § 328 Abs. 3 SGB III zurückzuzahlen sind.
Im Ausgangspunkt ist zunächst dem Beklagten darin zuzustimmen, dass auch bei einer Gehaltszahlung am Monatsende die Leistungsberechnung anhand einer Gegenüberstellung des monatlichen SGB II-Bedarfs und des in diesem Monat zugeflossenen Einkommens zu erfolgen hat. Überbrückend könnte nach § 23 Abs. 4 SGB II nur ein Darlehen gewährt werden, das aber ebenfalls zurückzuzahl...