Orientierungssatz
Parallelentscheidung zu dem Urteil des 83. Kammer des Sozialgerichts Berlin vom 27.08.2008 -S 83 KA 74/07-, das vollständig dokumentiert ist.
Tenor
Der Beschluss des Beklagten vom 29. März 2007 (schriftlicher Bescheid vom 15. Mai 2007) wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtli-chen Kosten der Beigeladenen, die diese jeweils selbst tragen.
Tatbestand
Streitig ist ein Regress im Rahmen der Richtgrößenprüfung für das Jahr 2001.
Die Klägerin ist Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe und nimmt an der vertragsärztlichen Versorgung in Berlin teil. Mit Schreiben vom 7. Oktober 2005 teilte der Prüfungsausschuss für die Wirtschaftlichkeitsprüfung in der vertragsärztlichen Versorgung im Land Berlin der Klägerin mit, dass ihre Verordnungsweise für das Jahr 2001 nach Richtgrößen von Amts wegen überprüft werde. Mit Schreiben vom 10. Januar 2006 teilte die Klägerin ihre Praxisbesonderheiten mit und wies insbesondere auf den onkologischen Schwerpunkt ihrer Tätigkeit hin. Mit Beschluss vom 16. März 2006 (schriftliche Ausfertigung vom 30. März 2006) setzte der Prüfungsausschuss einen Regress in Höhe von 168.289,39 DM (= 86.034,77 €) fest. Am 26. April 2006 legte die Klägerin hiergegen Widerspruch ein, den sie mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 13. Juni 2006 unter anderem wie folgt begründete: Der Beschluss des Prüfungsausschusses sei nach Ablauf der vierjährigen Ausschlussfrist ergangen. Die Richtgrößenvereinbarung 2001 sei wegen verspäteter Veröffentlichung unwirksam, und auch die Richtgrößen für das Jahr 1999 seien nicht anwendbar, weil diese wegen eines Verstoßes gegen Art. 17 GKV-SolG rechtswidrig gewesen seien. Die Regressierung zur unteren Interventionsgrenze von 15 % sei unzulässig. Schließlich sei die fehlende hinreichende Auseinandersetzung mit den Praxisbesonderheiten zu beanstanden.
Mit Beschluss vom 29. März 2007 (schriftliche Fassung vom 15. Mai 2007) reduzierte der Beklagte den Regress auf 35.204,34 € und wies den Widerspruch der Klägerin im Übrigen zurück. Zur Begründung führte er aus, dass die im Jahr 2002 veröffentlichten Richtgrößen für das Jahr 2001 zugrunde gelegt werden könnten, weil damit keine Verschlechterung der Rechtsposition der Klägerin gegenüber den Richtgrößen 2000 verbunden sei. Die Ausschlussfrist von vier Jahren sei gewahrt. Der Erstattungsanspruch könne erst am 1. Januar 2002 entstanden sein. In Anwendung von § 199 BGB beginne die Frist mit dem 1. Januar des Kalenderjahres, das auf die Entstehung des Erstattungsanspruchs folge, zu laufen - hier der 1. Januar 2003 - und ende am 31. Dezember des vierten Folgejahres - hier der 31. Dezember 2006. Jedenfalls könne die Frist nicht vor dem Erhalt der Daten gem. § 296 SGB V zu laufen beginnen. Die Daten hätten am 1. Januar 2002 weder vorliegen noch übermittelt werden können. Im Übrigen sei die Klägerin mit Schreiben vom 7. Oktober 2005 über die Richtgrößenprüfung informiert worden sei. Es seien weniger Praxisbesonderheiten anzuerkennen als durch den Prüfungsausschuss festgestellt worden sei.
Hiergegen richtet sich die am 30. Mai 2007 erhobene Klage, zu deren Begründung die Klägerin die in der Widerspruchsbegründung vorgetragene Argumentation vertieft und unter anderem ergänzend ausführt: Der Prüfbescheid müsse spätestens vier Jahre nach Abschluss des überprüften Verordnungszeitraums vorliegen, so dass die Frist am 31. Dezember 2004 abgelaufen sei. Dies bestätige auch die Neufassung des § 106 Abs. 2 S. 6 SGB V durch das GKV-WSG, wonach die Frist mit Ende des geprüften Zeitraums zu laufen beginne.
Die Klägerin beantragt,
den Beschluss des Beklagten vom 29. März 2007 (schriftlicher Bescheid vom 15. Mai 2007) aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf die Darlegungen in dem angefochtenen Bescheid. Er hält die Entscheidung des Prüfungsausschusses nicht für verfristet und Praxisbesonderheiten ausreichend und zutreffend berücksichtigt.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten, die vorlag und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet. Der angegriffene Bescheid des Beklagten, der nach ständiger Rechtsprechung des BSG (vgl. z. B. BSG, SozR 3 - 2500 § 106 Nr. 22; Leitherer in: Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage 2008, § 95, Rn. 2b) alleiniger Gegenstand der Klage wird, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Rechtsgrundlage für die Prüfung ist § 106 Abs. 2 SGB V in der bis zum 31. Dezember 2006 geltenden Fassung. Nach § 106 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB V wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung durch arztbezogene Prüfung ärztlich verordneter Leistungen bei Überschreitung der Richtgrößenvolumina nach § 84 SGB V geprüft (Auffälligkeitsprüfung). Gem. § 106 Abs. 2 S. 5 SGB V sin...