Entscheidungsstichwort (Thema)
Entgeltbegrenzung im Beitrittsgebiet. Bescheidung erhobener Widersprüche
Leitsatz (amtlich)
1. Soweit § 6 Abs 2 AAÜG durch das BVerfG für verfassungswidrig erklärt wurde, sind Verwaltungs- und Klageverfahren, in denen die Anwendung von § 6 Abs 2 AAÜG in Streit steht, bis zum Inkrafttreten der erforderlichen gesetzlichen Neuregelung auszusetzen. Eine Sachentscheidung ist auch nicht dergestalt zulässig, die Rente bis zum Inkrafttreten der vom BVerfG geforderten gesetzlichen Neufassung des § 6 Abs 2 AAÜG vorläufig unter Außerachtlassung von § 6 Abs 2 AAÜG und unter Zugrundelegung von § 6 Abs 1 AAÜG auch auf die bisher nach § 6 Abs 2 AAÜG begrenzten Arbeitsentgelte neu zu berechnen (abweichend von BSG vom 3.8.1999 - B 4 RA 50/97 R = BSGE 84, 56 = SozR 3-2600 § 307b Nr 7).
2. Wurde gegen einen noch nicht bestandskräftigen Rentenbescheid, dem Entgeltbegrenzungen nach § 6 Abs 2 AAÜG in der bis zum 31.12.1996 geltenden Fassung zugrunde liegen, Widerspruch eingelegt, so ist es dem Rentenversicherungsträger bis zum Inkrafttreten der vom BVerfG geforderten gesetzlichen Neuregelung des § 6 Abs 2 AAÜG untersagt, den Widerspruch sachlich zu bescheiden. Eine auf die Erteilung des Widerspruchsbescheides gerichtete Untätigkeitsklage ist unbegründet.
Tatbestand
Der Kläger verlangt von der Beklagten vorliegend im Wege der Untätigkeitsklage nach § 88 Absatz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Bescheidung seiner Widersprüche gegen von der Beklagten erteilte Rentenbescheide.
Der am ... geborene Kläger hat sein Erwerbsleben bis zur Wiedervereinigung in der ehemaligen DDR verbracht, wo er nach dem Abschluß eines entsprechenden Studiums ab dem 01.08.1954 zunächst als Ingenieur und Abteilungsleiter in der Elektroindustrie tätig und mit Wirkung ab dem 01.09.1960 Mitglied der "Zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz" war. Ab Mitte 1965 nahm der Kläger die Tätigkeit eines Sektorenleiters im Volkswirtschaftsrat/Ministerium für Elektrotechnik wahr und wurde gemäß Einzelvertrag vom 09.06.1983 mit Wirkung ab dem 01.03.1983 zum Betriebsdirektor im VEB Applikationszentrum Elektrotechnik B berufen. Zum 01.04.1971 schied der Kläger aus der "Zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz" (im weiteren Text: AV-TI) aus und wurde Mitglied der "Freiwilligen Zusätzlichen Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates" (im weiteren Text: AV-St).
Gemäß Bescheid vom 28.02.1994 in der Gestalt der diesen abändernden Bescheide vom 20.11.1995 und 06.04.1998 stellte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) in ihrer Funktion als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme (Zusatzversorgungsträger; im weiteren Text: ZV-Träger) gemäß § 8 Absatz 3 Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) Zeiten der Zugehörigkeit des Klägers in der AV-TI vom 01.09.1960 bis 28.02.1971 und in der AV-St vom 01.03.1971 bis 30.06.1990 sowie die in diesen Zeiträumen vom Kläger erzielten Bruttoarbeitsentgelte fest. Dabei wurden die für die Rentenberechnung durch die Beklagte zu berücksichtigenden Arbeitsentgelte des Klägers hinsichtlich des Zeitraumes vom 01.03.1971 bis zum 17.03.1990 gemäß § 6 Absatz 2 AAÜG in der für Leistungszeiträume bis zum 31.12.1996 geltenden Fassung (im weiteren Text: AAÜG a.F.) auf die Werte der Anlage 5 zum AAÜG a.F. begrenzt. Weiteren Zeiten der Zugehörigkeit zur AV-TI vom 01.08.1954 bis zum 31.08.1960 stellte der ZV-Träger mit ergänzendem Bescheid vom 26.11.1998 fest. Außerdem wurden die Feststellungsbescheide für Leistungszeiträume ab dem 01.01.1997 entsprechend der Neufassung des AAÜG durch das AAÜG-ÄndG (im weiteren Text: AAÜG n.F.) im Hinblick auf die Entgeltbegrenzungen nach § 6 Absatz 2 AAÜG überprüft und abgeändert, wobei die rentenrelevanten Entgelte mit Ausnahme des Jahres 1981 auch nach § 6 Absatz 2 AAÜG n.F. auf die Werte der Anlage 5 zum AAÜG begrenzt wurden.
Eine Klage des Klägers gegen die Entgeltbescheide blieb in erster Instanz erfolglos (klageabweisendes Urteil des SG Berlin v. 28.04.1995 -- S 36 An 3711/94). Auf die Berufung des Klägers wurde der Rechtsstreit in der 2. Instanz ausgesetzt, soweit die zu § 6 Absatz 2 AAÜG ergangenen Feststellungen der Beklagten in Frage stehen, und die Berufung im übrigen zurückgewiesen (Urteil des LSG Berlin v. 02.10.1998 -- L 1 An 105/95).
Im Anschluß an den Bezug von Altersübergangsgeld bis zur Vollendung des 65 Lebensjahres bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 12.07.1994 für die Zeit ab dem 01.02.1994 eine Regelaltersrente nach den Bestimmungen des SGB VI. Der Rentenberechnung legte die Beklagte u.a. die gemäß Bescheid des ZV-Trägers vom 28.02.1994 auf die Werte der Anlage 5 zum AAÜG a.F. begrenzten Arbeitsentgelte zugrunde. Unter dem 05.08.1994 legte der Kläger gegen den genannten Bescheid Widerspruch ein, mit dem er sich insbesondere gegen die Reduzierung seiner Zusatzversorgungsanwartschaften sowie die Begrenzung seiner bei der Rentenberechnung berücksichtigten Arbeitsentgelte auf die Werte der Anla...