Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. angemessene Wohnungsgröße. Zusammenleben eines Elternteils mit einem unter 25-jährigen Kind mit bedarfsdeckendem eigenen Einkommen. Ein- oder Zweipersonenhaushalt. Unterscheidung zwischen minder- und volljährigen Kindern

 

Leitsatz (amtlich)

1. Lebt ein erwerbsfähiger Leistungsberechtigter mit einem unter 25jährigen Kind in einem gemeinsamen Haushalt und kann das Kind seinen Bedarf aus eigenem Einkommen decken, kommt es für die Bestimmung der Angemessenheit der Unterkunftskosten darauf an, ob das Kind volljährig oder minderjährig ist.

2. Minderjährige Kindern sind bei der Bestimmung der angemessenen Wohnungsgröße stets mit zu berücksichtigen. Volljährige Kinder sind in der Regel nicht mit zu berücksichtigen, da dies den Leistungsberechtigten von der Bleibebereitschaft des nicht mehr im Leistungsbezug stehenden Kindes abhängig machen würde (entgegen BSG vom 18.2.2010 - B 14 AS 73/08 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 34; entgegen LSG Celle-Bremen vom 3.5.2017 - L 13 AS 224/16 = ZFSH/SGB 2017, 412).

 

Tenor

Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 31. Mai 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. September 2017 verurteilt, der Klägerin für September bis Dezember 2017 monatlich weitere Kosten der Unterkunft und Heizung von je 44,26 EUR zu gewähren.

Der Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung für eine Haushaltsgemeinschaft zwischen der leistungsberechtigten Klägerin und ihrem 23-jährigen Sohn, der über bedarfsdeckenden Einkommen verfügt.

Die 1960 geborene Klägerin wohnt gemeinsam mit ihrem im Januar 1994 geborenen Sohn. Dieser geht einer Beschäftigung bei einem Textilhandelsunternehmen nach und verdient monatlich zwischen 1.300 und 1.400 EUR brutto, 1.000 bis 1.100 EUR netto.

Mit Schreiben vom 12. Januar 2014 hörte der Beklagte die Klägerin vor Erlass einer Kostensenkungsaufforderung an. Nach einer Stellungnahme der Klägerin forderte der Beklagte mit Schreiben vom 19. Januar 2017, zugegangen am 25. Januar 2017, die Klägerin auf, binnen sechs Monaten die Kosten für die von ihr und ihrem Sohn bewohnte Wohnung zu senken. Wegen der Einzelheiten wird auf die Kostensenkungsaufforderung verwiesen.

Mit Bewilligungsbescheid vom 31. Mai 2017 bewilligte der Beklagte der Klägerin für den Zeitraum von Juli bis Dezember 2017 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Bei der Bedarfsberechnung berücksichtigte er nur die Hälfte der für einen Zweipersonenhaushalt nach den Verwaltungsvorschriften des Leistungsträgers abstrakt angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Hiergegen erhob die Klägerin am 8. Juni 2017 Widerspruch und begehrte die Berücksichtigung der Angemessenheitswerte für einen 1-Personenhaushalt.

Mit Änderungsbescheid vom 5. Juli 2017 berücksichtigte der Beklagte im Juli 2017 ein Nebenkostenguthaben und höhere Nebenkostenvorauszahlungen ab August 2017 und bewilligte der Klägerin monatliche Kosten für Unterkunft und Heizung von je 279,10 EUR. Ab August 2017 mussten die Klägerin und ihr Sohn für die Wohnung tatsächlich insgesamt 646,73 EUR bruttowarm aufwenden, mithin 323,37 EUR pro Person.

Mit Widerspruchsbescheid vom 4. September 2017 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte er aus, dass zwischen der Klägerin und ihrem Sohn eine besondere Verbundenheit bestehe und sie deshalb bei der Bestimmung der Angemessenheitswerte wie eine Bedarfsgemeinschaft bestehend aus zwei Personen zu behandeln seien. Auch wenn der Sohn allein aufgrund des bedarfsdeckenden eigenen Einkommens nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehöre, sei ein Zirkelschluss zu befürchten, wenn das Einkommen bei Berücksichtigung der angemessenen Kosten für einen 2-Personenhaushalt zur Bedarfsdeckung ausreiche, bei Berücksichtigung der angemessenen Bedarfe für einen 1-Personen-haushalt jedoch nicht genüge. Zur Begründung verwies der Beklagte auf die Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen im Urteil vom 19. Mai 2017 - L 13 AS 224/16.

Am 21. September 2017 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben. Sie hat die Ansicht vertreten, Anspruch auf Übernahme der hälftigen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 323,36 EUR zu haben, da dieser Betrag den Angemessenheitswert für einen 1-Personenhaushalt nicht übersteige. Zur Begründung verweist sie auf erstinstanzliche Rechtsprechung sowie die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 18. Februar 2010 - B 14 AS 73/08 R.

Wegen der weiter geltend gemachten Anrechnung des Betriebskostenguthabens auf die tatsächlichen Unterkunftskosten hat der Beklagte am 7. November 2017 einen Änderungsbescheid erlassen und der Klägerin für den Monat Juli 2017 weitere 44,26 EUR bewilligt. Daraufhin hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 22. ...

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