Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosenhilfe. Bedürftigkeitsprüfung. Einkommensanrechnung. Pauschbetrag für die vom Einkommen abzusetzenden freiwilligen Privatversicherungsbeiträge. Verfassungswidrigkeit. Absetzbarkeit und Angemessenheit der Beiträge

 

Orientierungssatz

1. Im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung sind Aufwendungen für freiwillige private Versicherungen in tatsächlicher Höhe vom anzurechnenden Einkommen abzusetzen, sofern sie angemessen sind. Die Begrenzung der Absetzung nach § 3 Abs 2 AlhiV 2002 auf den Pauschbetrag in Höhe von 3% des Einkommens ist nicht ermächtigungskonform, überschreitet die Grenzen einer zulässigen Pauschalierung und verstößt gegen den allgemeinen Gleichheitssatz.

2. Zur Angemessenheit der Beiträge zu privaten Versicherungen (hier Hausrat-, Unfall-, Privathaftpflicht-, Kraftfahrzeughaftpflicht-, Rechtsschutz- und Lebensversicherung sowie Beiträge zu einer Hilfskasse und zur Gewerkschaft).

 

Normenkette

SGB III § 193 Abs. 1, § 194 Abs. 2 S. 2 Nr. 2, § 206 Nr. 4; AlhiV 2002 § 3 Abs. 2; GG Art. 3 Abs. 1

 

Nachgehend

LSG Berlin (Urteil vom 25.06.2004; Aktenzeichen L 10 AL 79/02)

 

Tatbestand

Die Klägerin bestreitet die Rechtmäßigkeit der Beschränkung absetzbarer Versicherungsbeiträge auf eine Pauschale von 3 % des Einkommens des Ehepartners durch§ 3 Abs. 2 der Arbeitslosenhilfe-Verordnung 2002 (AlhiV 2002) .

Die 1947 geborene Klägerin hatte durch Ausübung einer beitragspflichtigen Heimarbeiter-Beschäftigung einen Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) erworben. Auf eine Arbeitslosmeldung zum 27. Februar 1995 war ihr fortlaufend, unterbrochen durch Bezugszeiten von Krankengeld, Alg bewilligt worden. Am 7. März 1997 war der Anspruch ausgeschöpft.

Die anschließenden Alhi-Anträge für die Bewilligungsabschnitte 8. März bis 7. März des Folgejahres führten bis zum 7. März 2001 zu einem Auszahlungsanspruch. Hierbei hatte die Beklagte das Nettoeinkommen des 1944 geborenen Ehemannes der Klägerin aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung bei den B V (BVG) im Bewilligungsabschnitt 8. März 1997 bis 7. März 1998 um Beiträge zu einer Unfallversicherung (57,50 DM monatlich), Haftpflichtversicherung (5,60 DM monatlich) sowie einer im November 1993 mit einer Laufzeit von 16 Jahren (bis 1. November 2009) abgeschlossenen Lebensversicherung mit einer Versicherungssumme von 55.000,00 DM und einem Monatsbeitrag von 286,55 DM gemindert.

Eine darüber hinaus bestehende Hausratversicherung inklusive Glasbruch mit einer Versicherungssumme von 90.000,00 DM war erst im darauffolgenden Bewilligungsabschnitt 8. März 1998 bis 7. März 1999 mit einem Monatsbeitrag von 20,10 DM berücksichtigt worden.

Ausweislich eines im November 1998 wegen diverser orthopädischer und internistischer Behinderungen der Klägerin erstellten Gutachtens war das der Alhi-Bemessung zugrundeliegende Entgelt von 500,00 DM wöchentlich weiterhin erzielbar.

Im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung für den Bewilligungsabschnitt 8. März 1999 bis 7. März 2000 hatte die Beklagte als weitere angemessene Versicherung eine bei der Kraftfahrer-Schutz e. V. abgeschlossene Familien- und Verkehrs-Rechtsschutzversicherung mit einem monatlichen Beitrag von 28,80 DM sowie einem Vereinsbeitrag von 2,83 DM monatlich anerkannt.

Im Bewilligungsabschnitt 8. März 2000 bis 7. März 2001 hatte die Beklagte eine auf den Namen der Klägerin abgeschlossene Lebensversicherung mit einem Monatsbeitrag von 16,70 DM vom anrechenbaren Einkommen des Ehemannes abgesetzt.

Die Kfz-Haftpflichtversicherung mit einem Beitrag von 37,70 DM war erst im darauffolgenden Bewilligungsabschnitt 8. März 2001 bis 7. März 2002 abgesetzt worden, zuzüglich eines erstmals geltend gemachten Beitrags zur Hilfskasse der BVG (10,50 DM monatlich), einer betrieblichen Einrichtung, die beispielsweise Unterstützungen bei Durchführungen einer Kur gewährt. Der Beitritt zur Hilfskasse ist freiwillig.

Im genannten Bewilligungsabschnitt beliefen sich die Aufwendungen für Privatversicherungen und ähnlichen Einrichtungen auf 468,18 DM bei einem durchschnittlichen Bruttoeinkommen von 5.294,00 DM monatlich.

In ihrem Fortzahlungsantrag für die Alhi-Bewilligung ab 8. März 2002 hatte die Klägerin -- mit Vertragsstand November 2001 -- Aufwendungen für die Lebens-, Hausrat- inklusive Glasbruch-, Unfall-, Rechtsschutz- sowie Kfz-Haftpflichtversicherung im Umfang von insgesamt 227,83 Euro nachgewiesen. Darüber hinaus Aufwendungen für die auf ihren eigenen Namen abgeschlossene Lebensversicherung von 8,54 Euro monatlich sowie des Beitrags zur Hilfskasse der BVG von 5,50 Euro. Als berufsbedingte Aufwendungen war ein Mitgliedsbeitrag zur Gewerkschaft in Höhe von 23,88 Euro monatlich belegt worden.

Unter Heranziehung der Regelung des § 3 Abs. 2 AlhiV 2002 anerkannte die Beklagte von den nachgewiesenen Aufwendungen für den privaten Versicherungsschutz von insgesamt 241,87 Euro monatlich lediglich 85,36 Euro (= 3 % des durchschnittlichen Bruttoverdienstes des Ehemannes von 2.845,30 Euro).

Infolgedessen überstieg der wöchentliche Anrechnun...

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