Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kostenerstattung für Miete einer CPM-Schultergelenkbewegungsschiene. keine vorherige Genehmigung durch Krankenkasse
Leitsatz (amtlich)
Kostenerstattung für die Miete einer CPM-Schultergelenkbewegungsschiene, wenn der Vermieter im Glauben war, eine Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung zu erhalten.
Orientierungssatz
1. Eine Krankenkasse hat die Kosten für die Miete einer CPM-Schultergelenkbewegungsschiene zu erstatten, wenn der Versicherte im Glauben war, eine Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung zu erhalten.
2. Aus § 30 Abs. 8 Bundesmantelvertrag-Ärzte (juris: BMV-Ä) und § 16 Abs. 8 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen (juris: EKV-Ä) ergibt sich keine Verpflichtung des gesetzlich Krankenversicherten, ein vertragsärztlich verordnetes Hilfsmittel vorab von der Krankenkasse genehmigen zu lassen.
Nachgehend
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 20. November 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juni 2008 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 275,00 € zu zahlen.
3. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
4. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten wegen der Kosten einer motorischen Schultergelenkbewegungsschiene.
Der 1959 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Wegen anhaltender Beschwerden wurde er am 07. November 2007 ambulant von dem Facharzt für Orthopädie Dr. G. am rechten Schultergelenk operiert. Am gleichen Tag stellte Dr. G. für den Kläger eine ärztliche Verordnung über die Miete einer ARTROMOT S CPM-Schulterbewegungsschiene für vier Wochen aus. Am 08. November 2007 sandte das Sanitätshaus H. per Fax an die Beklagte einen Kostenvoranschlag (Mietpauschale für 28 Tage insgesamt 680,20 €) zur Genehmigung.
Am 19. November 2007 gab Dr. I. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Niedersachsen (MDKN) für die Beklagte eine Stellungnahme ab. Danach sei die beantragte Verordnung nicht medizinisch begründet. Mit Bescheid vom 20. November 2007, gerichtet an den Kläger, lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag auf Kostenübernahme ab. Nach den Heilmittelrichtlinien seien Krankengymnastik, Physiotherapie, Gerätetraining sowie Übungen in Eigenregie vorrangig und ausreichend. In diesem Bescheid heißt es weiter: "Sollte diese Mitteilung zur Folge haben, dass sich der Leistungserbringer mit einer Rechnung an sie wendet, so bitten wir Sie, diese nicht zu bezahlen und uns zu informieren". Eine Rechtsbehelfsbelehrung enthält der Bescheid nicht.
Der Kläger übersandte daraufhin der Beklagten die Rechnung des Sanitätshauses vom 28. Dezember 2007 (Mietdauer vom 10.11.2007 bis 23.11.2007, Rechnungsbetrag 275,-- €).
Am 04. Februar 2008 legte der Kläger gegen die Ablehnung der Kostenübernahme Widerspruch ein. Er verwies darauf, dass er durch die Verwendung der Bewegungsschiene seine Arbeit wesentlich früher wieder habe aufnehmen können als dies dem Normalfall entspreche.
Zur weiteren Begründung übersandte er u.a. ein Attest des Dr. G. vom 15. Februar 2008. Darin heißt es, es sei eine ausgedehnte Operation mit großzügiger Teilbursektomie sowie einer subakromialen Dekompression und ergänzend eine Resektion des AC-Gelenkes durchgeführt worden. Der Kläger sei gehalten, aufgrund der riesigen Wundflächen die im Operationsgebiet entstanden seien, den Arm in den ersten Wochen nicht aktiv zu bewegen. Der Einsatz einer CPM-Schiene, d.h. einer passiven Bewegungshilfe, sei daher unentbehrlich.
Mit Gutachten vom 31. März 2008 bestätigte Dr. J. vom MDK das Ergebnis der vorherigen MDK-Stellungnahme. Dementsprechend wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 2008 den Widerspruch zurück. Es gebe keinen Nachweis des therapeutischen Nutzens einer passiven Bewegungstherapie im häuslichen Bereich. Die motorische Schulterbewegungsschiene sei nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähig.
Dagegen hat der Kläger am 24. Juli 2008 Klage erhoben. Er sei der Auffassung gewesen, die CPM-Schiene stehe ihm als Sachleistung der Beklagten zu. Nachdem er den Ablehnungsbescheid erhalten habe, habe er sie sofort wieder zurückgegeben (also nach weniger als zwei Wochen Gebrauch), obwohl die Verordnung über vier Wochen ausgestellt war.
Der Kläger beantragt,
1. den Bescheid der Beklagten vom 20. November 2007 in der Gestalt der Widerspruchsbescheides vom 23. Juni 2008 aufzuheben,
2. die Beklagte zu verurteilen dem Kläger 275,00 € zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
1. die Klage abzuweisen,
2. hilfsweise die Berufung zuzulassen.
Sie ist der Auffassung, motorische Schultergelenkbewegungsschienen seien keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Sie verweist u.a. auf Stellungnahmen des MDK und auf sozialgerichtliche Rechtsprechung.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie der näheren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf ...