Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf. unabweisbarer laufender besonderer Bedarf. Nachhilfekosten. Migrationshintergrund
Leitsatz (amtlich)
1. § 21 Abs 6 SGB 2 ist die einzige Rechtsgrundlage im Bereich des Arbeitslosengeld II für die Übernahme der Kosten für Nachhilfeunterricht.
2. Die Kostenübernahme setzt jedoch besondere Umstände im Einzelfall voraus. Ein Migrationshintergrund allein erfüllt diese Voraussetzung nicht.
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
I. Die Antragstellerin (im folgenden Ast.) begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Übernahme der Kosten der außerschulischen Nachhilfe in den Fächern Spanisch, Mathematik und Deutsch.
Die minderjährige Ast. befindet sich zusammen mit ihrer Mutter im laufenden Bezug von Leistungen nach dem SGB II. Die Ast. besucht die achte Klasse des gymnasialen Bereiches der R.-Schule in A-Stadt. Sie erhält Unterricht unter anderem in den Fächern Mathematik, Deutsch und Spanisch.
Mit Schreiben vom 27.10.2010 beantragte die Ast. bei der Antragsgegnerin (im folgenden Ag.) die Übernahme der Kosten für die Inanspruchnahme einer außerschulischen Nachhilfe. Zur Begründung führte sie aus, dass sie Defizite in den oben genannten Fächern habe und deshalb die Versetzung erneut gefährdet sei. Die Ast. sei nicht in der Lage, die Defizite selbständig auszugleichen. Ihre Eltern seien auf Grund ihrer sprachlichen Defizite außer Stande, die Ast. ergänzend zu unterrichten. Die Schule verfüge über keine Förderangebote. Da die Ast. einen Migrationshintergrund habe, sollte es auch im Interesse der Bundesrepublik Deutschland liegen, in ihrem konkreten Fall die Benachteiligung von Kindern mit einem solchen Hintergrund zu fördern und ihnen zu einem höheren Schulabschluss zu verhelfen. Die Kosten der Nachhilfe beliefen sich über einen Zeitraum von zehn Monaten auf monatlich 159,00 EUR und solle beim "Studienkreis" durchgeführt werden.
Am 23.12.2010 stellte die Ast. den vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen ihren Vortrag aus dem Antrag. Darüber hinaus meint sie, seien Rechtsgrundlage für ihren Anspruch auf Übernahme der Nachhilfe die §§ 67-69 SGB XII oder § 21 Abs. 6 SGB II.
Die Antragstellerin beantragt,
1. im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Kosten für die Inanspruchnahme einer außerschulischen Nachhilfe zu übernehmen.
2. der Antragstellerin für das Verfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Prozessbevollmächtigten zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie bezieht sich auf den Inhalt des Ablehnungsbescheides vom 28.12.2010. Mit diesem lehnte die Ag. den Antrag auf Übernahme der Kosten für Nachhilfeunterricht ab. Zur Begründung führte sie aus, dass Kosten für Nachhilfeunterricht in der Regel nicht übernommen werden könnten, da vorrangig schulische Angebote wie Förderkurse zu nutzen seien. Die Kosten für Nachhilfeunterricht könnten nur im Einzelfall übernommen werden. Voraussetzung hierfür sei aber, dass es einen besonderen Anlass gebe, z.B. eine langfristige Erkrankung oder einen Todesfall in der Familie. Zudem müsse die Aussicht auf Überwindung des Nachhilfebedarfes innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten, längstens jedoch bis zum Schuljahresende bestehen. Dieser Nachweis sei nicht erbracht worden. Außerdem fehle es an Nachweisen zur Höhe der Kosten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Rechtsstreites wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Leistungsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist statthaft, aber unbegründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund voraus (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage 2002, § 86b Rn. 27, 29). Ein materieller Anspruch ist im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur einer summarischen Überprüfung zu unterziehen; hierbei muss der Antragsteller glaubhaft machen, dass ihm aus dem Rechtsverhältnis ein Recht zusteht, für das wesentliche Gefahren drohen (Meyer-Ladewig, aaO, Rn. 29, 36). Der Anordnungsgrund setzt Eilbedürftigkeit voraus, dass heißt, es müssen erhebliche belastende Auswirkungen des Verwaltungshandelns schlüssig dargelegt und glaubhaft gemacht werden. Dabei muss die Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen, § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG. Dies bedeutet zugleich, dass nicht alle Nachteile zur Geltendmachung vorläufigen Rechtsschutzes berechtigen. Bestimmte Nachteile müssen hingenommen werd...