Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz. Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Neuregelung ab 1.1.2009. Rechtsschutzbedürfnis. Arbeitslosengeld II. Sanktion. Ablehnung einer Arbeitsgelegenheit. Ersetzung der Eingliederungsvereinbarung. Verwaltungsakteigenschaft. Begriff der zusätzlichen Arbeit. Unverhältnismäßigkeit und Rechtswidrigkeit einer Sanktionierung. Unbestimmtheit eines Arbeitsangebots
Orientierungssatz
1. Nach § 39 Nr 1 SGB 2 nF haben mit Wirkung vom 1.1.2009 Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der Leistungen zur Eingliederung in Arbeit oder Pflichten des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen bei der Eingliederung in Arbeit regelt, keine aufschiebende Wirkung mehr. Dies gilt auch für vor dem 1.1.2009 erlassene Bescheide, wenn der Widerspruch erst nach dem 31.12.2008 erfolgt ist.
2. Einem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gem § 86b Abs 1 S 1 Nr 2 SGG fehlt nicht schon deshalb das Rechtsschutzbedürfnis, weil es dem Arbeitsuchenden zugemutet werden kann, gegen die jeweiligen Sanktionsbescheide nach § 31 SGB 2 vorzugehen. Anders als beim "Angebot" einer Arbeitsgelegenheit, dessen Verwaltungsaktqualität nach wie vor streitig ist, handelt es sich bei der Ersetzung der Eingliederungsvereinbarung nach § 15 Abs 1 S 6 SGB 2 kraft gesetzlicher Anordnung um einen Verwaltungsakt. Da dieser Verwaltungsakt Grundlage verschiedener Sanktionen ist bzw sein kann (§ 31 Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst a, b und d SGB 2), sprechen prozessökonomische Erwägungen dafür, die Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes zum Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle im vorläufigen Rechtsschutz zu machen.
3. Ob eine Arbeitsgelegenheit im öffentlichen Interesse gem § 16 Abs 3 S 2 SGB 2 aF liegt oder nicht, richtet sich nach den Anforderungen des Arbeitsförderungsrechts. Nach § 261 Abs 3 S 1 und 2 SGB 3 liegen Arbeiten grundsätzlich dann im öffentlichen Interesse, wenn das Arbeitsergebnis der Allgemeinheit dient. Für eine Konkretisierung des Begriffs der Zusätzlichkeit iS des § 16 Abs 3 S 2 SGB 2 kann auf die Legaldefinition des § 261 Abs 2 SGB 3 zurückgegriffen werden.
4. Das Bestimmtheitserfordernis nach § 33 Abs 1 SGB 10 gebietet, dass der Grundsicherungsträger gem § 16 Abs 3 S 2 SGB 2 selbst die Art und die Bedingungen für den angebotenen Ein-Euro-Job festlegen muss. Er darf dies nicht dem Maßnahmeträger überlassen und muss die Art der Tätigkeit, ihr zeitlicher Umfang und die zeitliche Verteilung im Arbeitsangebot selbst nachvollziehbar bezeichnen. Nicht ausreichend ist die Umschreibung der von dem Arbeitsuchenden vorzunehmenden Tätigkeit nur mit einer unverständlichen Kennnummer.
5. Eine nach § 31 Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst a SGB 2 erfolgte Sanktionierung der Weigerung durch den Arbeitsuchenden, eine ihm angebotene Eingliederungsvereinbarung abzuschließen, ist zumindest dann unverhältnismäßig und damit rechtswidrig, wenn die Eingliederungsvereinbarung gem § 15 Abs 1 S 6 SGB 2 durch Verwaltungsakt ersetzt wurde (vgl OVG Bremen vom 15.8.2007 - S2 B 292/07 = NDV-RD 2007, 108).
Tatbestand
Der Antragsteller wendet sich gegen einen die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt.
Mit Schreiben vom 07.11.2008 (Bl. 204 der Behelfsakte der Antragsgegnerin) wurde dem Antragsteller eine mit dem Titel und der Tätigkeitsbeschreibung “U65ST08 bras STARTER„ bezeichnete Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung bei der Y. e.V. angeboten. Das Schreiben enthielt - unter Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung - die Aufforderung, sich bei dem Maßnahmeträger vorzustellen. Anlässlich des Vorstellungsgesprächs am 14.11.2008 kam die Mitarbeiterin der Y. ausweislich eines schriftlichen Vermerkes über das Vorstellungsergebnis zu dem Schluss, das “STARTER-Angebot„ passe nicht für den Antragsteller (Bl. 208 der Behelfsakte).
Gleichwohl wies die Antragsgegnerin den Antragsteller ausweislich eines Vermerkes (Bl. 176 der Behelfsakte) der Arbeitsgelegenheit ab dem 01.12.2008 zu. Eine Abschrift der Zuweisung findet sich in der Leistungsakte nicht. Zudem wurde dem Antragsteller anlässlich einer Vorsprache am 21.11.2008 eine Eingliederungsvereinbarung zur Unterschrift ausgehändigt. Eine Kopie wurde nicht zur Akte genommen.
Unter Verweis auf die Einschätzung des Maßnahmeträgers teilte der Antragsteller mit Schreiben vom 26.11.2008 mit, dass er die Zuweisung ablehne (Bl. 175 der Behelfsakte).
Mit Verwaltungsakt vom 29.12.2008, dem Antragsteller am 06.01.2009 zugestellt (Bl. 214 der Akte), ersetzte die Antragsgegnerin die Eingliederungsvereinbarung (Bl. 211 f. der Behelfsakte). Als Unterstützungsleistung der Antragsgegnerin sieht der Bescheid das Angebot einer Arbeitsgelegenheit vor. Die Tätigkeit ist wie folgt beschrieben:
“109U65ST08-4093 Starter Injob ; Tätigkeitsort: Y. e.V.; zeitlicher Umfang: 30 Stunden pro Woche; zeitliche Verteilung: 6 Stunden pro Tag; Höhe der Mehraufwandsentschädigung pro Stunde 1,20€; individuell verfolgtes Maßnahmeziel: Unterstützung bei der Eingliederung in den 1. Arbeitsmarkt„
Gleichwohl trat der An...