Entscheidungsstichwort (Thema)
Hausarztzentrierte Versorgung. Vertragsschluss einer Gemeinschaft nach § 73b Abs 4 SGB 5. Schiedsverfahren. Prüfkompetenz der Schiedsperson gem § 73b Abs 4a SGB 5. Besorgnis der Befangenheit. Beurteilung entsprechend § 56a SGG und §§ 21, 46 VwVfG
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V hat keine eigene Prüfkompetenz hinsichtlich der Voraussetzungen von § 73b Abs 4 S 1 SGB V.
2. Ein etwaiger Anspruch einer Gemeinschaft nach § 73b Abs 4 SGB V auf Vertragsschluss ist nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass evtl ein anderweitiger Vertrag eine flächendeckende hausarztzentrierte Versorgung faktisch sicherstellt.
3. Fragen der Besorgnis der Befangenheit bezüglich einer Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V sind entsprechend der §§ 56a SGG sowie 21 und 46 VwVfG zu beurteilen.
Tenor
1. Es wird gegenüber der Beklagten zu 2.) festgestellt, dass die Entscheidung der Schiedsperson ... vom 23. März 2018 in dem mit Antrag des Klägers vom 21. April 2015 gegenüber der Beklagten zu 2.) eingeleiteten Schiedsverfahren nach § 73b Abs. 4a SGB V rechtswidrig ist.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.3.a. Die Gerichtskosten tragen der Kläger zu 84,2% und die Beklagte zu 2.) zu 15,8%.b. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen der Kläger zu 84,2% und die Beklagte zu 2.) zu 15,8%.c. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1.) trägt der Kläger.d. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2.) tragen der Kläger zu 67,6% und die Beklagte zu 2.) zu 32,4%.4. Der Streitwert beträgt 195.000.- €.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten vor dem Hintergrund des Interesses des Klägers am Abschluss eines Vertrages zur hausarztzentrierten Versorgung (HzV) mit der Beklagten zu 2.) um die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Schiedsperson nach § 73b Abs. 4a Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V) vom 23.03.2018 mit dem Inhalt, das Schiedsverfahren werde ohne Vertragsfestsetzung beendet, da die rechtlichen Voraussetzungen für eine Vertragsfestlegung nicht vorlägen, um die Frage, ob das Schiedsverfahren fortzuführen ist sowie darum, ob die Schiedsperson wegen Besorgnis der Befangenheit an der weiteren Tätigkeit gehindert und zu ersetzen ist, wobei die erheblichen Tatsachengrundlagen unstrittig sind, jedoch unterschiedliche Rechtsauffassungen vertreten werden.
Ein erstes, vorgehendes Schiedsverfahren endete mit einer Vertragsfestsetzung durch die damalige Schiedsperson am 23.12.2009, wobei der Vertrag (bei zwischenzeitlichen Klage- sowie auf einstweiligen Rechtsschutz gerichteten Verfahren) durch Kündigung zu Ende 2014 beendet und letztlich nie „gelebt“ wurde.
2010 wurde ein Strukturvertrag nach § 73a SGB V a.F. zwischen der Beklagten zu 2.) und der Kassenärztlichen Vereinigung Bremen geschlossen. Mit einem sogenannten Überleitungsvertrag wurde der Strukturvertrag 2014 (dem Wortlaut nach sowie nach Auffassung der Beklagten zulässig und wirksam) in einen HzV-Vertrag nach § 73b SGB V geändert, dem 2015 zwei andere, hier nicht am Verfahren beteiligte Hausarztverbände (Neue Hausarztliste e.V. und die Vereinigung Hausärztlicher Internisten im Bundesland Bremen e.V.) beitraten und an dem mehr als 50% der Allgemeinärzte teilnehmen. Der Kläger hält diese „Überleitung“ für rechtswidrig, da dadurch kein Primärvertrag zustande gekommen und der Abschluss eines (darin gesehenen) Sekundärvertrages vor Abschluss eines Primärvertrages rechtswidrig sei.
2015 wurde ein neues, hier gegenständliches Schiedsverfahren eingeleitet, in dem die hier tätig gewordene Schiedsperson durch die Beklagte zu 1.) bestimmt wurde.
Diese Schiedsperson beendete ihrer - von den Beklagten geteilten - Rechtsauffassung folgend das Schiedsverfahren am 23.03.2018 ohne Festsetzung eines Vertrages mit der Entscheidung, dass die Voraussetzungen zur Durchführung eines Schiedsverfahrens nicht mehr vorlägen, da der bestehende, anderweitige Vertrag als ausreichend zu betrachten sei und zudem zwar weit als die Hälfte der in Betracht kommenden Ärzte Mitglied beim Kläger seien, diese jedoch ganz überwiegend hier nicht im Rechtssinne von diesem vertreten würden, da sie am anderweitigen Vertrag inkl. einer dortigen Exklusivitätsklausel teilnähmen.
Der Kläger beantragte bei der Beklagten zu 1.) eine Ersetzung der Schiedsperson, was diese ablehnte, da sie die Entscheidung zur Beendigung für rechtmäßig hielt. Gleiches gilt für einen Antrag des Klägers auf erneute bzw. weitere Bestimmung einer Schiedsperson
Der Kläger hat am 19.10.2018 beim erkennenden Gericht Klage erhoben.
Die mittlerweile Beklagte zu 2.) hat unter dem 26.02.2019 selbst zunächst ihre Beiladung beantragt.
Einen zunächst erhobenen Klageantrag hat der Kläger, soweit beantragt wurde, einen HzV-Vollversorgungsvertrag nach Maßgabe des § 73b SGB V mit dem Inhalt des Vertragsangebots des Klägers festzusetzen, zwischenzeitlich zurückgenommen, ebenso wie einen auf Verurteilung der Beklagten zu 2.) zur Annahme eines Vertragsangebotes des Klägers gerichteten Hilfsantrag.
Zur Begründung seiner Klage ha...