Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Rechtmäßigkeit einer Rentenherabsetzung. asbestbedingte Lungenkrebserkrankung. Ablauf von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt der Erstdiagnose. keine Anwendbarkeit der so genannten Heilungsbewährung. Rezidivfreiheit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Bescheid, mit dem eine auf unbestimmte Zeit gewährte Rente bei einer anerkannten Berufskrankheit nach Ziffer 4104 der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung (hier: Lungenkrebs) nach Ablauf von fünf Jahren herabgesetzt oder entzogen werden soll, ist nur rechtmäßig nach § 48 SGB 10, wenn eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse nachgewiesen ist.

2. Der bloße Ablauf eines Zeitraums von fünf Jahren nach Erstdiagnose eines Bronchialkarzinoms oder eine nach Ablauf eines solchen Zeitraums günstigere Prognose allein begründen keine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse nach § 48 SGB 10.

 

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 25.5.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.10.2007 wird aufgehoben.

Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer Rentenherabsetzung.

Die Klägerin ist die Ehefrau des verstorbenen Versicherten Herrn A., geb. XX.XX.1934.

Herr A. erkrankte an einem Bronchialkarzinom, das im April 2002 diagnostiziert und operativ am 21.5.2002 im Klinikum B.-O. entfernt wurde. Dabei zeigte sich neben einem maximal 4 cm im größten Durchmesser messenden Tumor ausgehend von Segment 2 sowie tumoröser Infiltration der Pleura eine ausgeprägte intraalveoläre Aussaat mit zusätzlichem Lymphbahnbefall (lymphangiosis carcinomata) sowie multiplen weiteren Tumorherden in den Segmenten 1 und insbesondere 3 bei tumorfreien Lymphknoten. Nebenbefundlich bestanden ausgedehnte komplett-hyalinisierte Pleuraplaques bei geringgradiger entzündlicher Begleitreaktion bei chronischer Bronchitis und Bronchiolitis mit ausgeprägter Schleimhauthyperplasie und obstruktivem Emphysem.

Im Bericht des Klinikums B.-O. vom 3.7.2002 wurde mitgeteilt, vor Entlassung habe sich aus der Lungenfunktion eine leichte bis mittelgradige Restriktion mit einer Vitalkapazität von 2,2 l = 58% und einem FEV von 1,88 l = 66 % der Vitalkapazität ergeben. Demnach habe keine Obstruktion bestanden. Der Verlauf sei komplikationsfrei verlaufen und Herr A. habe sich bei guter Mitarbeit zügig von dem Eingriff erholt.

Die arbeitstechnischen Ermittlungen ergaben, dass Herr A. durch seine Tätigkeit als Hafenarbeiter im Asbestumschlag einer Asbeststaubdosis von 47 Faserjahren ausgesetzt war.

Mit Bescheid vom 12.11.2002 erkannte die Beklagte bei Herrn A. eine Berufskrankheit nach Nr. 4104 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) an, da bei dem Kläger ein Bronchialkarzinom bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren bestand. Wegen der Folgen der Berufskrankheit gewährte die Beklagte in ihrem Bescheid vom 12.11.2002 eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 v.H.

Als Folgen der Berufskrankheit wurden anerkannt:

histologisch nachgewiesenes Bronchialkarzinom im rechten Lungenoberlappen, Zustand nach operativer Entfernung des rechten Lungenoberlappens und der leicht- bis mittelgradigen restriktiven Ventilationsstörung, Pleuraplaques.

Nicht als Folgen der Berufskrankheit wurden anerkannt:

chronische Bronchitis mit akuter Entzündung der kleinen und kleinsten Bronchien, obstruktives Lumenemphysem, Bluthochdruck, Verschlusskrankheit in der Oberschenkelhalsader links, die mit Bypass versorgt wurde.

Bei einer Kontrolluntersuchung im Dezember 2004 zeigte sich kein Anhalt für Tumorrezidiv oder Metastasen. Gleiches ergaben die Nachuntersuchungen aus Dezember 2005, Mai 2006 und Januar 2007.

Im Februar 2007 gab die Beklagte zur Prüfung, ob Herr A. weiterhin einen Anspruch auf Versichertenrente in unveränderter Höhe habe, eine Zusammenhangsbegutachtung bei Dr. HX. in Auftrag. In dem Gutachten vom 26.2.2007 kam Dr. HX. zu dem Ergebnis, die inspiratorische Vitalkapazität und die forcierte Vitalkapazität seien mittelgradig eingeschränkt mit einem Bestwert von 2,4 l. Es bestehe eine mittelgradige restriktive Ventilationsstörung. Zeichen einer Obstruktion zeigten sich nicht. Ferner lagen eine leichtgradige respiratorische Partialinsuffizienz, eine unauffällige Sauerstoffsättigungskurve ohne Zeichen einer Belastungsinsuffizienz sowie eine deutlich eingeschränkte Diffusionskapazität als Zeichen einer Diffusionsstörung vor. Dr. HX. fand auch in der Untersuchung vom 12.1.2007 (Röntgen Thorax in 2 Ebenen) keinen Anhalt für ein Tumorrezidiv oder Metastasen. Dr. HX. kam zu dem Schluss, obwohl nach fünf Jahren theoretisch eine Heilungsbewährung zu diskutieren sei, ließen die doch ausgeprägten Lungenfunktionsstörungen aufgrund der Berufskrankheit nach seiner Auffassung keinen Raum für eine Herabsetzung der MdE, die er nach wie vor auf 100 % einschätze.

Die Präventio...

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