Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung. Autismus-Therapie. Nachrang der Sozialhilfe. Kernbereich pädagogischer Arbeit
Orientierungssatz
Zur Übernahme der Kosten einer ambulanten Autismus-Therapie als Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung im Rahmen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach dem SGB 12.
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 30.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2014 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Eingliederungshilfe als Hilfe zur Schulbildung in Form der Übernahme der Kosten der Autismustherapie ab dem Schuljahr 2014/2015 bis zum Ende des Schuljahrs 2017/2018 zu gewähren, für den Zeitraum, für den Kosten bereits einstweilig übernommen wurden, in der Weise, dass die einstweilig erfolgte Kostenübernahme durch die Beklagte für endgültig erklärt wird.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Eingliederungshilfe in Form der Autismustherapie im Umfang von 4 Stunden wöchentlich als Hilfe zur angemessenen Schulbildung ohne Kostenbeteiligung der Eltern des Antragstellers.
Der am . . 2007 geborene Kläger, für den eine Autismus-Spektrum-Störung diagnostiziert ist (frühkindlicher Autismus/Entwicklungsstörung und psychische Behinderung), besucht seit September 2014 die Grundschule H. , der er auch zugewiesen ist. Er besucht eine Inklusionsklasse mit 20 Schülern, darunter fünf Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Der Unterricht erfolgt durch die Klassenlehrerin, eine Sonderpädagogin sowie eine Klassenassistenz. Für den Kläger ist ein sonderpädagogischer Förderbedarf in den Bereichen Wahrnehmung und Entwicklung anerkennt (Bescheid der Senatorin für Bildung und Wissenschaft vom 8. Mai 2014 auf der Grundlage des Gutachtens zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs von Frau I. v. 21.3.2014 sowie der schulärztlichen Stellungnahme vom 20.1.2014). Er wird in der Schule zusätzlich unterstützt durch eine persönliche Assistenz.
In dem Zeitraum vor der Einschulung (seit 2011) erhielt der Kläger Eingliederungshilfe in Form der Kostenübernahme für eine Autismus-Therapie für 6 Stunden wöchentlich ohne Anrechnung von Einkommen und Vermögen seiner Eltern (Bescheid vom 3. Juni 2014).
Den Antrag auf Weitergewährung der Autismus-Therapie auch nach der Einschulung vom April 2014 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30. September 2014 ab. Die Sozialhilfe sei gemäß § 2 SGB XII nachrangig. Nach den §§ 4 Abs. 1, 2 und 5 des bremischen Schulgesetzes habe die Schule allen Kindern und Jugendlichen zu ermöglichen, ihr Recht auf Bildung zu verwirklichen. Für autistische Kinder bestehe in der Stadtgemeinde A-Stadt eine Schule für Autisten. Würde von der Bildungsbehörde entschieden, dass das betreffende Kind an einer Regelschule eingeschult werden solle, seien Fachlehrer der Schule für Autisten in der Regelschule mit heranzuziehen. Ergänzende Ansprüche auf Autismus-Therapie nach dem SGB XII für schulpflichtige Kinder könnten lediglich zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gewährt werden. Ein solcher Bedarf bestehe bei dem Kläger. Diese Leistung sei jedoch einkommens- und vermögensabhängig. Die Eltern des Klägers verfügten über Vermögen in Form eines PKW (Wert mindestens 9359 €) und eines Bausparvertrag mit einem Kontostand von 5284,59 € zum 9. September 2014. Abzüglich des Freibetrags von 3726 € seien somit 10.917,59 € einzusetzen. Der Verkauf des PKW bedeute keine besondere Härte, da der Besitz eines PKW mit dem Wert von 9359 € nicht als notwendig angesehen würde. Auch die Kündigung des Bausparvertrages im Wert von 5284 € bedeute keine besondere Härte. Die Gewährung der Autismus-Therapie ab dem 11. September 2014 werde daher abgelehnt. Es bestünde zudem ein laufendes monatliches Einkommen im Umfang von 3110,97 € monatlich (netto), hiervon seien monatlich 757,95 Euro einzusetzen. Zugleich ordnete die Beklagte die sofortige Vollziehung an.
Hiergegen wendete sich der Kläger mit Widerspruch vom 10. Oktober 2014, zu dessen Begründung er u.a. auf eine unterstützende Stellungnahme seiner Schule vom 28.9.2014 Bezug nahm, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2014 zurückwies. Es handele sich um eine Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und nicht um eine Hilfe zur angemessenen Schulbildung. Diese Einschätzung stütze sich in erster Linie auf eine fachliche Weisung des Amtes für soziale Dienste, in der auf die Verantwortlichkeit der Bildungsbehörde verwiesen werde und ein ergänzender Beihilfeanspruch nach dem SGB XII verneint werde. Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung unterfielen dem Zuständigkeitsbereich der Bildungsbehörde. Es werde nicht verkannt, dass dem Kläger im Rahmen einer Autismus-Therapie auch lebenspraktische Inhalte vermittelt würden, um den Anforderungen, mit denen das Kind im Rahmen seines Schulbesuches konfrontiert werde, gerecht zu werden. Dies rechtfertige ...