Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit der Grundleistungen des AsylbLG

 

Orientierungssatz

1. Gemäß Art. 1 Abs. 1, Art. 20 GG ist der Staat verpflichtet, ein Existenzminimum dergestalt zu garantieren, dass die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein geschaffen sind. Dabei ist es zulässig, den verfassungsrechtlich garantierten Mindestbedarf gruppenbezogen zu erfassen.

2. In den vergangenen fünfzehn Jahren ist eine Anpassung der Grundleistungen des AsylbLG an die Teuerungsrate unterblieben. Eine Verfassungswidrigkeit der Leistungshöhe folgt daraus gleichwohl nicht.

3. Die Grundleistung nach § 3 Abs. 2 AsylbLG ist deutlich niedriger als der Regelsatz des SGB 12 und die Regelleistung des SGB 2. Es steht aber im sozialpolitischen Ermessen des Gesetzgebers, für Asylbewerber bzw. für Ausländer mit einem ungesicherten Aufenthaltsstatus ein eigenes Konzept zur Sicherung des Lebensbedarfs zu entwickeln und dabei auch Regelungen über die Gewährung von Leistungen abweichend vom Recht der Sozialhilfe zu treffen.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG). Er ist 1974 geboren und türkischer Staatsangehöriger.

Am 22.05.2008 stellte er einen Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) bei der Beklagten. Aufgrund Bescheides vom 16.06.2008 erhielt er Leistungen nach dem AsylbLG vom Landratsamt des Landkreises YY. durch die Beklagte ausgezahlt, weil er reiseunfähig war (PTBS, Bl. 3 und Bl. 13 BA). Aufgrund Beschlusses des VG Bremen vom 30.01.2009 (4 V 3960/08) bekam er in A-Stadt eine Duldung.

Mit dem Bescheid vom 16.06.2008 bewilligte das der Landkreis YY. dem Kläger Leistungen nach § 3 AsylbLG für den Zeitraum ab 1.6.2008 in Höhe von monatlich 224,97 Euro, mit Bescheid vom 02.04.2009 monatlich 186,62 Euro (ohne Miete).

Mit Schreiben vom 16.04.2009 legte der Kläger gegen den Bewilligungsbescheid mit der Begründung Widerspruch ein, die zuerkannten Leistungen nach § 3 AsylbLG deckten nicht das menschenwürdige Existenzminimum ab und seien daher verfassungswidrig. Die Höhe sei seit 1993 nicht angepasst worden. Insoweit habe das LSG NW die Revision zum BSG zugelassen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 07.05.2009 wies die Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales den Widerspruch hinsichtlich des Leistungszeitraums ab 29.03.2009 als unbegründet zurück. Dem Kläger könnten keine Leistungen nach § 2 AsylbLG gewährt werden, weil er die notwendige Vorbezugszeit noch nicht erfülle. Erst am 01.12.2010 sei dieser Zeitraum von 48 Monaten für ihn erfüllt. Im Übrigen sei sie an die gesetzlich festgesetzte Leistungshöhe gebunden.

Am 12.06.2009 hat der Kläger beim Sozialgericht Bremen Klage erhoben.

Er beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.04.2009 und des Widerspruchsbescheides vom 07.05.2009 zu verpflichten, ihm Leistungen gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG entsprechend dem SGB XII zu bewilligen und auszuzahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf die Begründung des angefochtenen Widerspruchsbescheides.

Das Gericht hat zunächst über die Klage ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid vom 22.09.2009 entschieden. Dagegen wurde Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt, die auf Antrag des Klägervertreters zudem verlegt werden musste. Zu dem zweiten Termin ist der Klägervertreter erneut nicht erschienen, sondern ließ am Terminstage ohne Begründung oder Beleg mitteilen, er sei verhindert. Er stellte keinen weiteren Verlegungsantrag.

Das Gericht hat den ersten Band der Hauptakte der Beklagten in Kopie beigezogen (Aktenzeichen 1004097). Er war Gegenstand der Entscheidungsfindung des Gerichts.

 

Entscheidungsgründe

Über die Klage konnte in der mündlichen Verhandlung vom heutigen Tage entschieden werden, obwohl der Klägervertreter sowie der Kläger nicht erschienen ist. Ersterer war ordnungsgemäß geladen und hat keinen (zweiten) Vertagungsantrag gestellt. Der zentrale Verfahrensgrundsatz des Art. 103 Abs. 1 GG “rechtliches Gehör„ ist damit berücksichtigt.

Der Klageantrag bedarf nach § 123 SGG der Auslegung. Gegenstand des Rechtsstreits ist die Leistungsgewährung ab 29.03.2009.

Die so verstandene und nach § 54 Abs. 4 SGG statthafte Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG.

Nach § 2 AsylbLG in der Fassung des Gesetzes vom 19.8.2007 (BGBl. I S. 1970) ist abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 48 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten haben und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger derzeit noch nicht, sondern erst ab Ende 2010.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus höherrangigem Recht; insbesondere aus Verfassungsrecht. Ohn...

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