Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Krankenversicherung. Zahnersatz. Regelversorgung. Anordnungsanspruch. Edelmetallversorgung. Restgebiss in Vergangenheit bereits durch Unfallversicherungsträger mit Edelmetall versorgt. vorläufige Geldleistung. keine Vorwegnahme der Hauptsache, wenn Sozialhilfeträger im Hauptsacheverfahren beigeladen
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Edelmetallversorgung kann zur Regelversorgung iSd § 56 Abs 1, Abs 2 S 2 und 3 SGB V gehören, wenn das Restgebiss bereits mit Edelmetall versorgt ist.
2. Der Anordnungsanspruch dazu ist hinreichend wahrscheinlich, wenn ein Träger der Gesetzlichen Unfallversicherung dem Antragsteller in der Vergangenheit eine Edelmetallversorgung mit dieser Begründung genehmigt hat.
3. Der Leistungsanspruch des § 55 SGB V besteht in der Bezuschussung der Kosten der Regelversorgung, also in einer Geldleistung, nicht in einer Sachleistung.
4. Die Verpflichtung zu einer vorläufigen Geldleistung nimmt die Hauptsache jedenfalls dann nicht vorweg, wenn im Hauptsacheverfahren der Sozialhilfeträger beigeladen ist.
Tenor
I. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig einen Zuschuss zu gewähren, der die tatsächlichen Kosten der Regelversorgung des Unterkiefers des Antragstellers entsprechend des Heil- und Kostenplans vom 09.11.2016 abdeckt.
II. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
III. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller 50 % seiner notwendig entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Die Entscheidung betrifft das führende Verfahren S 10 KR 270/15 ER sowie das hinzuverbundene Verfahren S 10 KR 89/17 ER.
Im Verfahren S 10 KR 270/15 ER (sowie dem zugehörigen Hauptsacheverfahren S 10 KR 563/14) ist streitig der Zahnersatz für den Oberkiefer des Antragstellers.
Im Verfahren S 10 KR 89/17 ER (und dem zugehörigen Hauptsacheverfahren S 10 KR 795/16) ist streitig die Versorgung mit Zahnersatz des Unterkiefers des Antragstellers.
Zum Oberkiefer des Antragstellers (ER-Antrag vom 08.05.2015) liegt ein Heil- und Kostenplan, der den aktuellen Sanierungsbedarf im Oberkiefer des Antragstellers beschreibt, nicht vor.
Zum Unterkiefer existiert der Heil- und Kostenplan vom 09.11.2016, der auch eine Edelmetallversorgung beinhaltet. Mit Bescheid vom 18.11.2016 bestätigte die Antragsgegnerin die Bezuschussung dieses Heil- und Kostenplanes. Der Zuschuss beziehe sich auf die Kosten für die Regelversorgung. Wenn der Zuschuss die tatsächliche Rechnungssumme der Regelversorgung nicht abdeckt, wird zugesichert, auch diesen Betrag zu übernehmen.
Im Widerspruchsbescheid vom 08.02.2017 weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass sich die zahnprothetische Regelversorgung an den zahnmedizinisch notwendigen zahnärztlichen und zahntechnischen Leistungen, die zu einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen gehören und dem allgemein anerkannten Stand der zahnmedizinischen Erkenntnisse entsprechen, orientiert. Die Brückenversorgung in einer Goldlegierung gehöre nicht zur Regelversorgung.
Am 14.02.2017 beantragte der Antragsteller zur Versorgung des Unterkiefers den Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Mit Schriftsatz vom 22.02.2017 verwies die Antragsgegnerin darauf, dass sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund fehlten. Dem Antragsteller sei ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache zumutbar. Darüber hinaus dürfe durch eine einstweilige Anordnung nicht die Hauptsache vorweggenommen werden.
Ein Anordnungsanspruch bestehe ebenfalls nicht, weil eine Goldlegierung nicht zur Regelversorgung gehöre.
II.
Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
1. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass für den Oberkiefer des Antragstellers ein aktueller Heil- und Kostenplan nicht existiert. Der diesbezügliche Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war daher wie tenoriert abzulehnen.
2a. Der Anordnungsanspruch zur Versorgung des Unterkiefers entsprechend des Heil- und Kostenplans vom 09.11.2016 liegt nach Ansicht des Gerichts mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vor.
Der Leistungsanspruch richtet sich in der Hauptsache gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB V auf die Bezuschussung der Kosten für die medizinisch notwendige Versorgung, also die Regelversorgung. Diese hat sich gemäß § 57 Abs. 2 Satz 3 SGB V an den zahnmedizinisch notwendigen zahnärztlichen und zahntechnischen Leistungen zu orientieren, die zu einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen nach dem allgemein anerkannten Stand der zahnmedizinischen Erkenntnisse gehören.
Zur Frage, ob die Versorgung mit Edelmetall zur Regelversorgung gehört, verweist d...