Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Aufforderung zur Beantragung vorzeitiger Altersrente. Ermessensausübung. Bestimmtheitsgebot
Leitsatz (amtlich)
1. Die voraussichtliche Inanspruchnahme ergänzender Sozialhilfe im Falle des Bezugs einer Altersrente führt nicht zur Ermessensfehlerhaftigkeit einer Aufforderung des Trägers der Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II zur Stellung eines Antrags auf Altersrente (Anschluss an BSG vom 19.8.2015 - B 14 AS 1/15 R = SozR 4-4200 § 12a Nr 1).
2. Die Aufforderung zur Stellung eines Antrags auf Altersrente ist nicht deshalb unbestimmt im Sinne von § 33 Abs 1 SGB X, weil sie keine Verpflichtung enthält, die Rente ab einem konkreten Zeitpunkt zu beantragen.
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Die am ...1952 geborene Antragstellerin wendet sich gegen die Aufforderung des Antragsgegners zur Beantragung einer Altersrente.
Die seit längerem arbeitslose Antragstellerin steht im fortlaufenden Leistungsbezug des Antragsgegners, der Träger der Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches - SGB II - ist. Die Antragstellerin geht einer geringfügigen Beschäftigung beim Verein für Arbeitsförderung e.V. in F. (Lkr. Z.) und erzielt dabei seit dem 1.1.2015 regelmäßig ein Arbeitsentgelt von 102,00 EUR.
Mit Bewilligungsbescheid vom 7.10.2014 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin für den Zeitraum von November 2014 bis Oktober 2015 Leistungen in Höhe von 666,09 EUR monatlich. Mit Änderungsbescheid vom 20.1.2015 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin für die Monate Februar bis Oktober 2015 monatliche Grundsicherungsleistungen in Höhe von 672,49 EUR.
Anfang des Jahres 2015 ließ sich der Antragsgegner zur Prüfung etwaiger vorrangiger Rentenansprüche der Antragstellerin eine Rentenauskunft der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland, des gesetzlichen Rentenversicherungsträgers der Antragstellerin, vom 8.10.2013 vorlegen. Hier war die Möglichkeit des Bezugs einer Altersrente für langjährig Versicherte mit frühestem Rentenbeginn ab dem 1.12.2015 aufgezeigt. Zugleich wurde darauf hingewiesen, dass die Inanspruchnahme dieser Rente im Vergleich zu einem Rentenbeginn ohne Abschläge am 1.6.2018 zu einer Minderung des Rentenanspruchs um 9,0 % führen würde. Die zu erwartende Rentenhöhe im Falle einer ungekürzten Rente läge voraussichtlich in einem Bereich zwischen ca. 743,00 EUR und 800,00 EUR. Die Regelaltersgrenze erreiche die Antragstellerin am 4.5.2018.
Die Betriebskostenabrechnung für die Wohnung der Antragstellerin vom 19.6.2015 wies für das Jahr 2014 ein Guthaben auf, so dass die Vermieterin der Antragstellerin deren Nebenkostenvorauszahlungen ab dem 1.8.2015 um 17,00 EUR reduzierte.
Am 12.10.2015 beantragte die Antragstellerin beim Antragsgegner die Weiterbewilligung der Leistungen über den 31.10.2015 hinaus. Mit Bescheid vom 21.10.2015 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin für die Zeit vom 1.11.2015 bis 31.1.2016 vorläufige Leistungen in Höhe von monatlich 655,49 EUR.
Mit Bescheid vom 21.10.2015 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin auf, einen Antrag auf Altersrente bei ihrem zuständigen Rentenversicherungsträger zu stellen. Hierzu sei die Antragstellerin ab Vollendung ihres 63. Lebensjahres auch dann verpflichtet, wenn sie wegen deren vorzeitiger Inanspruchnahme Abschläge hinnehmen müsse. Bei der Altersrente handele es sich um eine vorrangig in Anspruch zu nehmende Sozialleistung. Im Rahmen der pflichtgemäßen Ermessensprüfung seien keine Anhaltspunkte erkennbar, die eine abweichende Entscheidung rechtfertigen könnten. Ausnahmen seien insbesondere:
- der Bezug von Arbeitslosengeld in Verbindung mit aufstockenden Arbeitslosengeld II-Leistungen
- der Anspruch auf Bezug einer abschlagsfreien Altersrente innerhalb der nächsten drei Monate
- die Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung (Bruttoeinkommen mindestens 450,01 EUR) oder eine gleichwertige Tätigkeit mit mindestens 450,01 EUR Einkommen
- die Aufnahme einer nicht nur vorübergehenden sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit innerhalb der nächsten 3 Monate durch Vorlage eines Arbeitsvertrages
Derartige Besonderheiten bestünden bei der Antragstellerin nicht. Auch andere Gründe, die eine Ausnahme von der Inanspruchnahme einer Altersrente mit Abschlägen rechtfertigen könnten, seien nicht erkennbar. Eine Prognose, die Antragstellerin in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vermitteln zu können, sei aufgrund der aktuellen Arbeitsmarktlage und dem Umstand, dass die Antragstellerin bereits seit längerem nicht mehr sozialversicherungspflichtig beschäftigt sei, negativ. Der Antragsgegner sei gehalten, seine Mittel wirtschaftlich und sparsam einzusetzen. Die Antragstellerin sei verpflichtet, die Hilfebedürftigkeit zu beseitigen oder zu verringern. Unter Abwägung aller Gesichtspunkte sei man zur Entscheidung gekommen, die Antragstellerin zur Beantragung der Altersrent...