Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitssuchende. Einkommensanrechnung. staatliche Umweltprämie. Zuflussprinzip
Leitsatz (amtlich)
1. Die Anrechnung von fiktiven, tatsächlich nicht zugeflossenen Einnahmen, hier: Abtretung einer im Voraus abgetretenen staatlichen Umweltprämie, ist rechtswidrig.
2. Die staatliche Umweltprämie stellt eine zweckbestimmte Einnahme im Sinne von § 11 Absatz 3 Nr. 1a SGB II dar, die nicht zur Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums einzusetzen ist. Die Lage des Hilfebedürftigen wird dadurch nicht so günstig beeinflusst, dass daneben keine weiteren Leistungen nach dem SGB II gerechtfertigt sind.
Tenor
1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 18.03.2010 gegen den Änderungsbescheid des Antragsgegners vom 01.03.2010 wird angeordnet.
2. Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.
Gründe
I.
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen einen Änderungsbescheid des Antragsgegners vom 01.03.2010, wonach die für den Kauf eines Neufahrzeugs der Antragstellerin gewährte staatliche Umweltprämie (sog. Abwrackprämie) als Einkommen monatlich angerechnet wurde.
Die 47-jährige, erwerbsfähige Antragstellerin bezieht Leistungen nach dem SGB II vom Antragsgegner. Ihr wurden durch Bescheid vom 01.12.2009 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 579 € für den Zeitraum 01.01.-30.06.2010 bewilligt. Dabei legte der Antragsgegner einen Bedarf von 359 € Regelleistung sowie 220 € Kosten der Unterkunft (136 € Grundmiete, 54 € Nebenkosten und 30 € Heizkosten ohne Warmwasserabzug) der Berechnung zugrunde. Die Antragstellerin bewohnt eine Mietwohnung in der ...straße in D., wofür sie 136 € Grundmiete, 54 € kalte Betriebskosten an monatlichen Vorauszahlungen an den Vermieter sowie 30 € Heizkosten an die Stadtwerke D. aufwenden muss. Die Antragstellerin verfügt über verwertbares Vermögen in Höhe von rund 467 €.
Am 22.09.2009 erwarb die Antragstellerin einen PKW Dacia Sandero mit dem amtlichen Kennzeichen: xxx beim Autohaus E. in D. zum Gesamtpreis von 8628 €, wovon sie am 23.09.2009 6128 € direkt an das Autohaus zahlte. Die beim Bundesamt für Wirtschaft- und Ausfuhrkontrolle beantragte Umweltprämie in Höhe von 2500 € sollte zugleich auf den Kaufpreis angerechnet werden. Am 22.09.2009 wurde der PKW amtlich zugelassen. Die beantragte Umweltprämie floss ausweislich des vorgelegten Kontoauszuges dem Autohaus E. am 16.11.2009 zu (Bl. 23 der Gerichtsakte).
Im Antrag vom 17.11.2009 informierte die Antragstellerin den Antragsgegner über den Erwerb des o.g. Fahrzeugs.
Der Antragsgegner hörte die Antragstellerin mit Schreiben vom 05.02.2010 zur beabsichtigten Aufhebung der Bewilligung für den Zeitraum 01.09.2009 bis 28.02.2010 und zur gleichzeitigen “Verrechnung„ mit laufenden Leistungen an. Danach betrachtete der Antragsgegner die Umweltprämie als Einkommen und informierte die Antragstellerin über die geplante Aufteilung derselben auf 12 Monate zu je 208,33 €.
Mit Änderungsbescheid vom 01.03.2010 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für den Zeitraum 01.03.2010 bis 30.10.2010 in Höhe von monatlich 417 € und hob die bisherige Bewilligung teilweise auf. Hierbei legte er einen Bedarf von 579 € zugrunde, rechnete jedoch ein Einkommen aus der Umweltprämie in Höhe von monatlich 208,33 € dem Grunde nach an. Diese Einkommen bereinigte er um die Versicherungspauschale in Höhe von 30 € sowie um monatliche Kosten der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung in Höhe von monatlich 16,42 €, so dass letztlich ein Einkommen in Höhe von 161,91 € bedarfsmindernd angerechnet wurde.
Gegen den Änderungsbescheid vom 01.03.2010 erhob die Antragstellerin durch Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 18.03.2010 Widerspruch, über den bislang noch nicht entschieden ist.
Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom selben Tag suchte die Antragstellerin um Eilrechtsschutz beim Sozialgericht Chemnitz nach. Sie wendet sich gegen die Berücksichtigung der Abwrackprämie als Einkommen, insbesondere gegen die Berücksichtigung im Änderungsbescheid vom 01.03.2010 für den Zeitraum 01.03.-30.06.2010.
Die Antragstellerin beantragt zuletzt sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 18.03.2010 gegen den Änderungsbescheid des Antragsgegners vom 01.03.2010 betreffend den Leistungszeitraum 01.03.-30.06.2010 anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er verweist darauf, dass die zugeflossene Umweltprämie als Einkommen zu berücksichtigen sei. Es handele sich um kein zweckbestimmtes Einkommen. Im Übrigen beeinflusse die Einnahme aus der Umweltprämie die Situation des Hilfebedürftigen so günstig, dass daneben Leistungen der Grundsicherung nicht gerechtfertigt seien. Darüber hinaus habe der Gesetzgeber Gesetzesinitiativen zur Freistellung der Umweltprämie nach Bekanntwerden des Problems abgelehnt. Zusätzlich wird auf die Stellungnahme der Bundesregierung gegenüber...