Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilferecht: Übernahme der Kosten für tägliche Insulininjektionen für einen behinderten Menschen in einer Einrichtung für Behinderte als Leistungen der Eingliederung. Abgrenzung der Leistungspflichten nach Sozialhilferecht und dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung
Orientierungssatz
Im Rahmen der Eingliederungsleistungen für Menschen mit Behinderung, die in einer Werkstätte für behinderte Menschen aufgenommen sind, sind auch die notwendigen Kosten für tägliche Insulininjektionen als Leistungen der medizinischen Behandlungspflege zu erbringen (Anschluss SG Dresden, Beschluss vom 15.08.2008, Az.: S 18 KR 397/08 ER). Dagegen beginnt die Leistungspflicht der Krankenkassen hinsichtlich der häuslichen Krankenpflege bei Aufnahme in einer Werkstatt für behinderte Menschen erst dann, wenn der Pflegebedarf besonders hoch ist, was bei Insulingaben noch nicht der Fall ist.
Tenor
I. Der Beigeladene zu 1. wird einstweilen verpflichtet, der Antragstellerin vom 01.01.09 bis 30.06.09 die Kosten der häuslichen Krankenpflege im Rahmen der vertragsärztlichen Verordnungen für das Setzen der Insulininjektionen nebst vorheriger Bestimmung des Blutzuckers und Dosierens gemäß vertragsärztlicher Verordnung einmal täglich während des Aufenthalts in der Behindertenwerkstatt zu erbringen.
II. Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.
Der Beigeladene zu 1. trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin und der Beigeladenen zu 2.
Gründe
Die Beteiligten des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens streiten darüber, wer verpflichtet ist die Kosten für die Insulininjektionen der Klägerin in der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) zu tragen.
Die am 00.00.1965 geborene Antragstellerin ist mehrfach behindert und multimorbide. Sie ist schwerbehindert mit einem GdB von 100 und den Merkzeichen G, H und RF anerkannt. Eine Pflegestufe im Sinne der gesetzlichen Pflegeversicherung ist nicht festgestellt worden. Sie leidet u.a. an Diabetes und benötigt mehrfach tägliche Insulininjektionen, die sie sich wegen Oligophrenie nicht selbst berechnen und setzen kann. Aufgrund des stark schwankenden Blutzuckerspiegels wurden erstmals ab Juni 2008 zusätzlich mit täglichen Insulininjektionen notwendig. Die Antragstellerin lebt in einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe und besucht an 5 Tagen der Woche die WfbM. Die WfbM lehnte nach entsprechender Nachfrage das Setzen der Insulininjektionen ab. Die gesetzliche Betreuerin der Klägerin beauftragte daraufhin den Pflegedienst der Diakonie mit dem mittäglichen Setzen der Insulininjektionen. Die im Zeitraum vom 23.06.08 bis 31.12.08 entstandenen Kosten für die Insulininjektionen wurden von der Beigeladenen zu 1. vorläufig übernommen.
Am 02.12.2008 verordnete die Fachärztin für Allgemeinmedizin DM H. zur Sicherung der ambulanten Behandlung einmal täglich, fünfmal wöchentlich Insulininjektionen für den Zeitraum 01.01.09 bis 31.03.09. Auch für diesen Zeitraum wurde der Pflegedienst der Diakonie mit der Durchführung der Injektionen betraut.
Den erneut an den Beigeladenen zu 1. gerichteten Antrag auf Kostenübernahme (Eingang 23.12.08) leitete diese mit Schreiben vom 12.01.2009 unter Hinweis auf § 14 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) an die Antragsgegnerin weiter.
Mit Anschreiben an den Beigeladenen zu 1., die verordnende Ärztin und den Pflegedienst und Bescheid an die gesetzliche Betreuerin vom 19.01.2009 vertrat die Antragsgegnerin die Auffassung, die Insulininjektionen seien im Rahmen der medizinischen Betreuung vom Personal der Behindertenwerkstatt zu erbringen.
Die Rechnung des Pflegedienstes für Januar 09 vom 09.02.2009 übersandte die Betreuerin an den Beigeladenen zu 1. (Eingang 13.02.09) der diese seinerseits an die Antragsgegnerin weiterleitete.
Mit Schreiben vom 13.03.2009, bei der Antragsgegnerin am 17.03.09 eingegangen, bat die Antragstellerin über ihre bevollmächtigte Rechtsanwältin um Überprüfung der Kostenübernahme. Die Antragsgegnerin sei gemäß § 14 SGB IX zuständig und einstandspflichtig geworden.
Die Antragsgegnerin vertrat gegenüber der Vertreterin der Antragstellerin und dem Beigeladenen zu 1. mit Schreiben vom 23.03.2009 (ohne Rechtsmittelbelehrung) die Auffassung, einen Fall des § 14 SGB IX i.V.m. § 5 SGB IX liege nicht vor. Bei der häuslichen Krankenpflege handele es sich nicht um eine Leistung zur medizinischen Reha. Die Antragstellerin lebe in einer vollstationären Einrichtung. Sie führe keinen eigenen Haushalt. Deshalb seien entsprechende Leistungen der häuslichen Krankenpflege für den vorübergehenden Aufenthalt in der WfBM nicht zu erbringen.
Hiergegen legte die Vertreterin der Antragstellerin mit Schreiben vom 30.03.2009 (Eingang 31.03.09) Widerspruch ein. Die Insulininjektionen seien Annexleistungen zu Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Mit Schreiben vom 08.04.2009 übersandte der Beigeladene zu 1. unter Hinweis auf § 14 SGB IX die Abrechnung der Februarinsulininjektionen sowie den Antrag auf Behandlungspflege ab dem 01.04.2009 gemäß ...