Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Krankenversicherung. Behandlungspflege in Werkstätten für behinderte Menschen. Leistungen zur Teilhabe im Rahmen der Eingliederungshilfe. Annexleistung

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Gewährung von Behandlungspflege während des Aufenthalts in einer Werkstatt für behinderte Menschen handelt es sich um eine Annexleistung zu den im Rahmen der Eingliederungshilfe gewährten Leistungen zur Teilhabe.

 

Orientierungssatz

1. Zum Leitsatz vgl SG Dresden vom 15.8.2008 - S 18 KR 397/08 ER, SG Chemnitz vom 16.6.2009 - S 11 KR 223/09 ER und SG Speyer vom 11.10.2012 - S 7 KR 713/12 ER.

2. Az beim LSG Berlin-Brandenburg: L 1 KR 61/13.

 

Tenor

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 17.08.2010 in der Fassung des Bescheids vom 19.08.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.10.2010 verpflichtet, den Bescheid vom 15.02.2010 zurückzunehmen und die Klägerin von den Kosten für die Verabreichung der Insulininjektion in der von der Beigeladenen zu 2) betriebenen Werkstatt für behinderte Menschen im Zeitraum 01.01.2010 bis 06.10.2010 gegenüber der Beigeladenen zu 3) freizustellen.

2. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

 

Tatbestand

Die 1970 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin begehrt von der Beklagten die Freistellung von den ihr von einem Pflegedienst, der Beigeladenen zu 3), in Rechnung gestellten Kosten für die Verabreichung von Insulininjektionen während ihres werktäglichen Aufenthalts in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) im Zeitraum 01.01.2010 bis 06.10.2010.

Die Klägerin lebt in einer Einrichtung der Behindertenhilfe. Für sie sind ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen G, H und RF anerkannt. Darüber hinaus bezieht sie eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und ergänzend Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.

In der Zeit von 7.30 Uhr bis 14.45 Uhr besucht sie in Folge der vom Beigeladenen zu 1) gewährten Leistungen der Eingliederungshilfe werktags die von der Beigeladenen zu 2) betriebene WfbM. Sie benötigt mehrfach täglich - auch während der Arbeitszeit in der WfbM - im Zusammenhang mit ihrer Diabetes mellitus Erkrankung Blutzuckermessungen und Insulininjektionen. Aufgrund weiterer Erkrankungen, die Klägerin leidet unter Krämpfen und Spasmen der Muskulatur sowie an einer mittelgradigen Intelligenzminderung bei frühkindlicher Hirnschädigung, ist die Klägerin nicht in der Lage, sich die Insulininjektionen selbst zu verabreichen. Bis zum 01.12.2009 wurden deshalb während des Aufenthalts der Klägerin in der WfbM die notwendigen Insulininjektionen durch das Werkstattpersonal verabreicht.

Am 01.12.2009 wurde der Betreuerin der Klägerin durch die Beigeladene zu 2) (WfbM) jedoch mitgeteilt, die notwendigen Insulinspritzen dürften nicht mehr vom Werkstattpersonal, sondern nur noch durch eine Fachkraft gesetzt werden. Die Beigeladene zu 2) könne daher diese Aufgabe mangels entsprechenden Personals nicht mehr übernehmen. Daraufhin verordnete der behandelnde Arzt der Klägerin, Dr. G., ab dem 02.12.2009 durchgängig bis zum 31.03.2011, zuletzt mit Verordnung vom 06.12.2010 für die Zeit des Aufenthalts der Klägerin in der WfbM häusliche Krankenpflege in Form von Insulininjektionen. Noch am 02.12.2009 beauftragte die Betreuerin der Klägerin die Beigeladene zu 2) als Pflegedienst mit dem Setzen der Insulininjektionen während ihrer Arbeitszeit der Klägerin in der WfbM für den Geltungszeitraum der ärztlichen Verordnung.

Die am 30.12.2009 von Dr. G. für die Zeit vom 01.01.2010 bis 31.12.2010 ausgestellte Verordnung häuslicher Krankenpflege für die Verabreichung von Insulininjektionen (einmal täglich/fünfmal wöchentlich) ging am 05.01.2010 bei der Beklagten ein.

Mit Bescheid vom 15.02.2010 lehnte die Beklagte daraufhin eine Kostenübernahme der verordneten häuslichen Krankenpflege ab. Zur Begründung hob sie darauf ab, die ggf. notwendige medizinische Behandlungspflege sei, da die Klägerin in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen untergebracht sei, über Leistungen der Pflegeversicherung abgegolten. Widerspruch erhob die Klägerin hiergegen zunächst nicht.

Den an den beigeladenen Landkreis Barnim (Beigeladener zu 1) gerichteten Antrag vom 27.07.2010 auf Übernahme der Kosten für die verabreichten Insulininjektionen lehnte dieser mit Bescheid vom 02.08.2010 ebenfalls ab. Zur Begründung verwies der Landkreis auf die seiner Auffassung nach bestehende Leistungspflicht der Beklagten. Sozialhilfe würde zudem nicht für die Vergangenheit erbracht. Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb ohne Erfolg. Die hierzu erhobene Klage ist ebenfalls am SG Frankfurt (Oder) anhängig (Az. S 7 SO 48/11).

Einen weiteren Antrag auf Kostenübernahme vom 02.12.2010 für die Zeit vom 01.01.2010 bis 06.10.2010 lehnte der Beigeladene zu 1) zudem mit Bescheid vom 30.12.2010 ab. Der hierzu erhobene Widerspruch wurde bislang nicht beschieden.

Bereits mit Schreiben ihrer Betreuerin vom 9. August 2010...

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