Entscheidungsstichwort (Thema)
Förderung der selbständigen Tätigkeit. Weitergewährung des Gründungszuschusses. Ermessensentscheidung. Festigung der Geschäftstätigkeit. Sicherung des Lebensunterhalts. ermessensfehlerhafte Erstbewilligung. Herbeiführung der Arbeitslosigkeit. kein Sicherungszweck bei Darlehensmitteln
Leitsatz (amtlich)
Bei der nach § 94 Abs 2 SGB 3 zu treffenden Ermessensentscheidung über die Weiterbewilligung eines Gründungszuschusses für die Gründung einer frauenärztlichen Praxis kommt es auch nach Verkürzung der ersten Förderungsphase auf sechs Monate durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011 (BGBl I 2011, 2854) maßgeblich darauf an, dass sich die Gründung im ersten Bewilligungsabschnitt so weit gefestigt und am Markt behauptet hat, dass der Gründer seinen Lebensunterhalt mit den laufenden Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb im zweiten Bewilligungsabschnitt sichern und den Zuschuss von 300,00 EUR für seine Beiträge zur sozialen Absicherung verwenden kann.
Es widerspricht dem Leitbild und dem Zweck eines Gründungszuschusses, wenn der Gründer sein vorher bestehendes Arbeitsverhältnis einvernehmlich durch Aufhebungsvertrag beendet, um im Zuge einer bereits längerfristig bestehenden Lebensplanung seine selbstständige Tätigkeit aufzunehmen. Beantragt er aus der so herbeigeführten Arbeitslosigkeit einen Gründungszuschuss, darf dieser ermessensfehlerfrei abgelehnt werden.
Ein Gründungszuschuss ist nicht notwendig im Sinne von § 93 SGB III, wenn der Gründer seinen Lebensunterhalt und seine Beiträge zur sozialen Sicherung aus einem im Zuge der Gründung erhaltenen Darlehen bestreiten kann.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Tatbestand
Die am ... 1971 geborene Klägerin begehrt die Gewährung eines Gründungszuschusses für weitere neun Monate vom 1.7.2012 bis 31.3.2013.
Die Klägerin ist seit 1997 Ärztin und seit 2003 Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe. Sie arbeitete bis zum 22.9.2011 als angestellte Gynäkologin am städtischen H. Krankenhaus in Z. Die Tätigkeit dort endete mit Aufhebungsvertrag.
Die Klägerin beantragte bei der Beklagten am 4.10.2011 die Gewährung eines Gründungszuschusses für die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit als niedergelassene Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe in Z. Die Klägerin hatte hierzu im Zuge einer bereits 2009 veröffentlichen Ausschreibung eine frauenärztliche Praxis übernommen. Die Zulassung zur Fortführung des von der Vorgängerin der Klägerin im Februar 2010 eingestellten Praxisbetriebs erteilte die kassenärztliche Vereinigung am 8.3.2011. Mit den Umbaumaßnahmen in der übernommenen Praxis begann die Klägerin am 1.8.2011. Die Eröffnung der Praxis war für den 1.1.2012 vorgesehen. Der Praxisbetrieb war von Beginn an mit einer angestellten Ärztin geplant. Die zu ihrem Antrag vom 4.10.2011 vorgelegten Ertragsprognosen wiesen für das Jahr 2012 monatliche Fehlbeträge und für die Zeit von Januar 2013 bis März 2013 monatliche Überschüsse aus.
Mit Bescheid vom 5.1.2012 bewilligte die Beklagte der Klägerin einen Gründungszuschuss vom 1.1.2012 bis 30.6.2012 in Höhe von monatlich 2.047,80 EUR für die von der Klägerin am 1.1.2012 aufgenommene selbstständige Tätigkeit als Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe. Im Zuschuss enthalten war eine Pauschale von 300,00 EUR zur sozialen Sicherung. Der Bescheid war bereits mit einem Hinweis auf eine weitere Förderung von monatlich 300,00 EUR für neun Monate verbunden.
Am 11.5.2012 beantragte die Klägerin die Weitergewährung des Gründungszuschusses. Einen Bericht vom 12.7.2012 über ihre bisherige Geschäftstätigkeit reichte sie nach. Darin führte die Klägerin im Wesentlichen aus: Die Geschäftstätigkeit habe sich gut entwickelt. Die Praxis werde gut angenommen und die Patientenzahlen stiegen kontinuierlich an. Eine gewisse "Anlauffrist" sei im Rahmen der Praxisplanung einkalkuliert worden und entspreche den Erwartungen. In ca. einem Jahr sei mit Patientenzahlen zu rechnen, wie sie in seit Jahren laufenden Praxen vorzufinden seien. Dies sei eine normale Entwicklung. Die positive Praxisentwicklung sei gesichert, zumal in den nächsten Jahren weitere Kollegen in den Ruhestand träten.
Zu ihrem Bericht legte die Klägerin eine betriebswirtschaftliche Auswertung der R. Steuerberatungsgesellschaft mbH in C. vom 4.7.2012 für den Zeitraum Januar bis Juni 2012 sowie eine neue Ertragsprognose für die Zeit von Juli 2012 bis Mai 2013 vor. Die betriebswirtschaftliche Auswertung wies einen Gesamtverlust von insgesamt 82.360,31 EUR aus. Die Ertragsprognose sah erstmals für den Monat April 2013 die Erzielung eines Überschusses in Höhe von 1.528,00 EUR vor. Für das zweite Halbjahr 2012 waren weiterhin monatliche Fehlbeträge von jeweils mehreren tausend Euro eingeplant. Die Fehlbeträge für die ersten drei Monate des Jahres 2013 bezifferte die Klägerin auf monatlich 389,00 EUR. In den Monaten April und Mai 2013 sollten Überschüsse von jeweils 2.611,00 ...