Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Beteiligtenfähigkeit der Arbeitsgemeinschaften nach Kreisgebietsreform in Sachsen. Unterkunftskosten. Anwendung von § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 idF ab 1.8.2006 bei Auszug aus dem Bereich des örtlichen Wohnungsmarktes. Folgen des Umzugs ohne vorherige Zusicherung. keine Übertragbarkeit von § 22 Abs 2a SGB 2. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Beteiligtenfähigkeit der Arbeitsgemeinschaften (ARGE) nach der Neugliederung des Gebietes der Landkreise des Freistaates Sachsen durch das SächsKrGebNG.

2. Bei einem Umzug in eine andere Gemeinde bzw einen überregionalen Wohnungsmarkt ist die Regelung des § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 idF ab 1.8.2006 angesichts des grundrechtlich geschützten Rechts auf Freizügigkeit in einschränkender Auslegung der Vorschrift nicht anzuwenden (Anschluss an LSG Celle-Bremen vom 26.10.2007 - L 13 AS 168/07 ER = FEVS 59, 271).

3. Dasselbe gilt, wenn der Leistungsempfänger vor dem Umzug einen Wohnraum - hier Jugend- und Ausbildungswohnheim - nicht zu sozial- und markttypischen Bedingungen bewohnt hat (Anschluss an LSG Berlin-Potsdam vom 7.8.2008 - L 5 B 940/08 AS ER).

4. Zieht der Leistungsempfänger, der das 25. Lebensjahr vollendet hat, ohne die Zusicherung gem § 22 Abs 2 SGB 2 um, ohne dass die Voraussetzungen des § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 idF ab 1.8.2006 gegeben sind, besteht (lediglich) kein befristeter Bestandsschutz gem § 22 Abs 1 S 3 SGB 2 idF ab 1.8.2006, wenn die Aufwendungen nicht angemessen iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 sind. Die Vorschrift des § 22 Abs 2a SGB 2 findet auf diesen Personenkreis keine entsprechende Anwendung.

 

Tenor

I. Der Bescheid vom 13.12.2007 i. d. G. des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2008 wird in den Feststellungen zu den Kosten der Unterkunft und Heizung aufgehoben und die Beklagte dem Grund nach verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum vom 06.11.2007 bis 31.05.2008 höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung zu gewähren.

II. Die Beklagte hat vorläufig weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 06.11.2007 bis 30.11.2007 i. H. v. 72,17 EUR sowie für den Zeitraum vom 01.12.2007 bis 31.05.2008 i. H. v. monatlich 87,00 EUR - mithin insgesamt 522,00 EUR zu erbringen.

III. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

IV. Die Berufung der Beklagten wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Bewilligung von Kosten der Unterkunft und Heizung im Zeitraum vom 06.11.2007 bis 31.05.2008, resultierend aus dem Bescheid vom 13.12.2007 i. d. G. des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2008.

1. Der am … 1980 geborene Kläger stellte erstmals am 06.11.2007 formlos bei der Beklagten Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II.

Seit dem 05.11.2007 bewohnt er seine aktuelle 40,15 qm große Unterkunft in Z (Sachsen). Ausweislich des vorliegenden Mietvertrages vom 06.08.2007 betrug die monatliche Grundmiete ab November 2007 200,75 EUR. Auf die entstehenden allg. Betriebs- sowie auf die Heizkosten waren Vorauszahlungen i. H. v. monatlich 85,00 EUR zu leisten (Blatt 8f. der Leistungsakte). Das Wasser wird über den Heizkreislauf erhitzt. Der Betriebskostenanteil beträgt nach der Mietbescheinigung 47,00 EUR.

Vor seinem Umzug lebte der Kläger bis zum 28.08.2007 (vgl. Blatt 77 der Leistungsakte) in einem Zimmer innerhalb einer Wohngemeinschaft in J. (Thüringen) mit einer Größe von etwa 9,6 m². Für dieses war eine Gesamtmiete i. H. v. 175 EUR zu zahlen. Die Überlassung erfolgte, beginnend ab 14.08.2004, auf Basis eines Untermietvertrages mit dem IB. (Blatt 69ff. der Leistungsakte). Außerdem wurde die gemeinschaftliche Nutzung von Gemeinschaftsräumen und -einrichtungen (Flur, Bad und Küche) vereinbart.

In der Zwischenzeit hielt sich der Kläger bei einem Bekannten in J. auf.

Vom 19.08.2004 bis 02.02.2007 absolvierte er eine Ausbildung am Staatlichen berufsbildenden Schulzentrum in J. (Blatt 73f. der Leistungsakte).

Danach bezog er Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II von der Stadtverwaltung J. Zuletzt mit Bescheid vom 26.02.2007 wurden ihm entspr. Leistungen i. H. v. 482,05 EUR monatlich für die Zeit vom 01.03.2007 bis 29.02.2008 bewilligt (Blatt 20f. der Leistungsakte). Mit Bescheid vom 29.11.2007 hob die Stadtverwaltung J. ihre Bewilligung für die Zeit ab 05.11.2007 unter teilweiser Rückforderung der Leistungen auf (Blatt 52, 59 der Leistungsakte). Rechtbehelfe dagegen wurden nicht erhoben.

2. Bereits am 26.11.2007 wandte sich der Kläger an die Stadtverwaltung J. als Leistungsträger nach dem SGB II mit der Bitte um Erteilung einer Zusicherung zum bereits erfolgten Umzug nach Z.

Mit Bescheid vom 28.11.2007 lehnte diese eine Zusicherung ab. Sie führt aus, die begehrte Einwilligung könne nicht erteilt werden. Sie beruft sich auf § 22 Abs. 2 SGB II, wonach diese nur vor Abschluss des Mietvertrages erteilt werden könne, soweit der Umzug erforderlich und die neuen Unterkunfts- und Heizkosten angemessen seien. Ein Mietvertrag über ...

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