Entscheidungsstichwort (Thema)
Überbrückungsgeld. Anspruchsgrundlage. keine Bedarfsprüfung. keine Ermessensleistung
Leitsatz (amtlich)
Seit dem 1.1.2004 wird Überbrückungsgeld ohne Rücksicht auf einen im Einzelfall nachweisbaren oder nachzuweisenden Bedarf pauschal in Anlehnung an die zuletzt nach dem SGB 3 bezogene Entgeltersatzleistung (vgl § 57 Abs 5 SGB 3) gewährt. Die in § 57 Abs 1 SGB 3 enthaltene Formulierung "zur Sicherung des Lebensunterhaltes und der sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung" beinhaltet keine eigenständige Anspruchsgrundlage, sondern umschreibt lediglich die allgemeine Zielsetzung der gesetzlichen Regelung.
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 30. Juni 2004 und der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 28. Dezember 2004 werden aufgehoben.
2. Die Beklagten wird dem Grunde nach verurteilt, der Klägerin Überbrückungsgeld ab 15. April 2004 zu gewähren.
3. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin Überbrückungsgeld (Übg) für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit ab 15. April 2004 zusteht.
Die am 17. Oktober 19... geborene Klägerin bezog zuletzt seit 17. März 2004 Arbeitslosengeld nach einem wöchentlichen gerundeten Bemessungsentgelt von 320 EUR in der Leistungsgruppe A/0.
Am 14. April 2004 beantragte sie die Gewährung von Übg zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit (Führen eines Gastronomiebetriebes in ...). Sie legte die Gewerbeanmeldung für die „...“ ab 15. April 2004 sowie eine fachkundige Stellungnahme eines Steuerberaters vor. Die Klägerin ist alleinige Gesellschafterin und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreite Geschäftsführerin der GmbH. Gemäß Arbeitsvertrag vom 15. April 2004 stand der Klägerin als Geschäftsführerin eine monatliche Bruttovergütung von 3 000 EUR zu. Die endgültige Erlaubnis nach § 2 GastG erteilte die Große Kreisstadt ... am 24. Juni 2004.
Mit Bescheid vom 30. Juni 2004 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Übg ab. Die Klägerin habe monatliche Einkünfte von ca. 3 000 EUR. Somit sei ihr Lebensunterhalt während der Anlaufphase der selbständigen Tätigkeit gesichert, so dass ein Anspruch auf Übg entfalle.
Hiergegen legte die Klägerin am 19. Juli 2004 Widerspruch ein. Sie habe sich als geschäftsführende Gesellschafterin ein Gehalt festlegen müssen, das aber – vor allem im ersten Geschäftsjahr – reine Formsache sei. Zudem sei ihr Bruttogehalt ab 1. Juli 2004 auf 1 000 EUR monatlich gesenkt worden, da das prognostizierte Betriebsergebnis in der Anlaufphase nicht erwirtschaftet werden konnte. Die Klägerin legte den geänderten Geschäftsführervertrag sowie Gehaltsabrechnungen für Mai bis November 20004 vor.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 28. Dezember 2004 zurück. Die Klägerin sei ab Beginn der selbständigen Tätigkeit in der Lage, ihren Lebensunterhalt und ihre soziale Sicherung einkommensmäßig selbst zu bestreiten, so dass die Gewährung von Übg nicht notwendig sei. Bei gleichzeitiger Zahlung von Gehalt und Übg sei die Klägerin ungerechtfertigt gegenüber Existenzgründern bevorteilt, denen kein Gehalt gezahlt werde. Das Gehalt sei zudem höher als das zu erwartende Übg.
Hiergegen richtet sich die am 31. Januar 2005 zum SG Leipzig erhobene Klage. Das SG Leipzig hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 21. April 2005 an das örtlich zuständige SG Chemnitz verwiesen. Die Klägerin trägt vor, alle persönlichen und vorhabenbezogenen Anspruchsvoraussetzungen zu erfüllen. Eine Zweckbindung zur Sicherung des Lebensunterhalts sei entgegen der Auffassung der Beklagten keine Voraussetzung für die Gewährung von Übg. Dies würde dazu führen, dass die von der Klägerin gewählte gesellschaftsrechtliche Konstellation generell von der Gewährung des Übg ausgeschlossen wäre. Ein Existenzgründer könnte sich niemals selbst als Geschäftsführer einsetzen, da er dann Gehalt beziehen würde, dass den Anspruch nach Ansicht der Beklagten ausschließen würde.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
den Bescheid der Beklagten vom 30. Juni 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Dezember 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin das beantragte Übergangsgeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtenen Bescheide und ist insbesondere der Auffassung, dass Übg nach § 57 SGB III eine zweckbestimmte Sozialleistung sei. Dies habe der Gesetzgeber mit der Gesetzesformulierung zum Ausdruck gebracht. Der Personenkreis der Anspruchsberechtigten sei dadurch deutlich eingeschränkt.
Der Kammer liegen die Verwaltungsakte und die Verfahrensakte vor, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe
Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG).
Die Klage ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 30. Juni 2004 und der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 28. Dezember 2004 sind rechtswidrig und verletzen die Klä...