Entscheidungsstichwort (Thema)
Überbrückungsgeld trotz Eigenkündigung
Orientierungssatz
1. Ein Arzt erhält für die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit als niedergelassener Vertragsarzt Überbrückungsgeld (Übg) nach § 57 Abs. 1 SGB 3 (Fassung bis 31.7.2006 durch das 4. SGB III-ÄndG), auch wenn er seine Teilzeitbeschäftigung als Klinikarzt durch eigene Kündigung zum Zweck der Gründung einer selbstständigen Existenz beendet hat.
2. An der Vermeidung von Arbeitslosigkeit nach § 57 Abs. 1 SGB 3 fehlt es weder nach dem Wortlaut, noch nach dem Zweck, noch nach der Systematik des Gesetzes, da gem. § 57 Abs. 3 Satz 4 SGB 3 der Anspruch auf Übg gerade nicht erlischt sondern lediglich durch eine Sperrzeit nach § 144 SGB 3 verkürzt wird.
Tenor
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 14. August 2006 wird abgeändert und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 14. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Januar 2006 verurteilt, dem Kläger Überbrückungsgeld in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 1. Oktober 2005 bis 6. Januar 2006 zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte erstattet die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Überbrückungsgeld (Übg) anlässlich der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit des Klägers.
Der 1964 geborene Kläger war vom 1. Oktober 1998 bis 30. September 2005 als Assistenzarzt am Kreiskrankenhaus E. versicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt in einem Umfang von 75% einer Vollzeitbeschäftigung. Sein beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt betrug ca. 4.200,00 Euro monatlich. Am 20. September 2005 schlossen der Landkreis E. und der Kläger einen Aufhebungsvertrag, mit welchem das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30. September 2005 aufgelöst wurde. Zum 1. Oktober 2005 machte sich der Kläger als niedergelassener Vertragsarzt selbstständig, er übernahm eine bereits bestehende Praxis.
Am 20. September 2005 beantragte der Kläger die Gewährung von Übg zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit. Bei Antragstellung gab er an, die erzielten Einnahmen reichten nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts aus, da durch die Praxisübernahme mit dem Abwandern von Patienten zu rechnen sei und die ersten Quartalsauszahlungen erst nach drei bis sechs Monaten erfolgten. Er werde künftig ca. 60 Wochenstunden für die selbstständige Tätigkeit aufwenden. Zusätzlich legte er die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle zur Tragfähigkeit der Existenzgründung vor sowie eine Bescheinigung des Finanzamts Freiburg Stadt, mit der eine Anmeldung der freiberuflichen Tätigkeit als Arzt zum 1. Oktober 2005 bestätigt wurde.
Mit Bescheid vom 14. Dezember 2005 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, Vermeidung von Arbeitslosigkeit im Sinne von § 57 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) liege vor, wenn die Fortdauer eines Beschäftigungsverhältnisses aus Gründen, die der Arbeitnehmer nicht zu vertreten habe, gefährdet sei und der Arbeitnehmer das Risiko der Arbeitslosigkeit durch die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit abmildere. Eine eigenständige Kündigung zum Zweck der Gründung einer selbstständigen Existenz führe das Risiko der Arbeitslosigkeit jedoch selbst herbei. Überbrückungsgeld könne in diesen Fällen nicht gewährt werden. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und führte aus, er wisse von zwei Kollegen, denen in gleicher Situation Überbrückungsgeld gewährt worden sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte hierzu aus, mit der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit sei Arbeitslosigkeit nicht vermieden worden, weil der Kläger nicht von Arbeitslosigkeit bedroht gewesen sei. Hierzu bestimme § 17 SGB III Folgendes: Von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitnehmer sind Personen, die 1. versicherungspflichtig beschäftigt sind, 2. alsbald mit der Beendigung ihrer Beschäftigung rechnen müssen und 3. voraussichtlich nach Beendigung der Beschäftigung arbeitslos werden. Die Anspruchsvoraussetzungen seien damit nicht erfüllt, es könne daher ungeprüft bleiben, ob die Leistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes überhaupt notwendig sei.
Hiergegen richtet sich die am 28. Februar 2006 zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhobene Klage. Zur Begründung trägt der Kläger im Wesentlichen vor, die Aufnahme einer selbstständigen, hauptberuflichen Tätigkeit im unmittelbaren Anschluss an eine nicht selbstständige Beschäftigung, die durch einen Aufhebungsvertrag beendet werde, stehe der Gewährung von Übg nicht entgegen. Die 2. Alternative des § 57 Abs. 1 SGB III, Vermeiden von Arbeitslosigkeit, erfasse die Fälle, in denen Arbeitslosigkeit nicht eingetreten sei, weil der Versicherte aus einer versicherten, nicht selbstständigen Tätigkeit heraus im unmittelbaren Anschluss in die Selbstständigkeit gehe. § 57 Abs. 1 Alt. 2 SGB III differenziere dabei nicht danach, ob den Versicherten bei der Beendigung des Beschäftigungsverhältniss...