Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Rentenversicherung: Ansprüche aus einem Arbeitsunfall. Gewährung einer Verletztenrente für einen mehrere Jahrzehnte zurückliegenden Arbeitsunfall. Zeitpunkt des Eintritts einer Leistungspflicht bezüglich der Verletztenrente

 

Orientierungssatz

Bei Arbeitsunfällen, für die sowohl Versicherungs- als auch Leistungsfall vor dem 1. Januar 1997 eingetreten waren, sind noch die Regelungen der Reichsversicherungsordnung anzuwenden, auch wenn die Ansprüche vom Berechtigten erstmals nach diesem Zeitpunkt geltend gemacht und entsprechend auch ein Antrag auf Verletztengeld bearbeitet wurden. Ein Anspruch auf Verletztenrente besteht in diesen Fällen dann nicht bereits ab Eintreten der den Anspruch begründenden Unfallfolgen, sondern erst ab dem Monat der erstmaligen Antragstellung, soweit zu diesem Zeitpunkt das Unfallereignis bereits mehr als zwei Jahre zurücklag.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 21.09.2010; Aktenzeichen B 2 U 3/10 R)

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig ist der Beginn der Verletztenrente des Klägers.

Der Kläger erlitt am 05.10.1965 einen Arbeitsunfall, indem er sich mit einer Kreissäge an der linken Hand verletzte. Wegen der Unfallfolgen wurde er bis 1966 mehrfach operativ behandelt. Danach erfolgte keine weitere Behandlung mehr.

Mit Schreiben vom 15.10.2004, bei der Beklagten am 19.10.2004 eingegangen, beantragte der Kläger eine Begutachtung wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 05.10.1965. Anlässlich einer Begutachtung nach Verletzung der rechten Hand durch einen Arbeitsunfall sei er darauf aufmerksam gemacht worden, dass der Arbeitsunfall von 1965 nicht verjährt sei.

Im Zuge ihrer daraufhin eingeleiteten Ermittlungen holte die Beklagte zunächst ein chirurgisches Fachgutachtem vom 13.02.2006 ein, in dem die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 05.10.1965 mit 20 v. H. geschätzt wurde. Der hierauf befragte Beratungsarzt der Beklagten und Facharzt für Chirurgie Prof. Dr. K. bewertete die MdE mit 15 v. H.

Mit Bescheid vom 03.05.2006 gewährte die Beklagte dem Kläger eine (gestützte) Rente nach einer MdE von 15 v. H. ab 01.10.2004. Nachdem der Kläger mit dem Widerspruch gegen den Bescheid Höhe und der Beginn der Verletztenrente gerügt hatte, wurde zusätzlich ein neurologisches Gutachten vom 12.12.2006 eingeholt, in dem die MdE für die Unfallfolgen auf neurologischem Gebiet mit 10 v. H. und die Gesamt-MdE mit 20 v. H. geschätzt wurden.

Nachdem auch Prof. Dr. K. dieser Schätzung der Gesamt-MdE unter Berücksichtigung auch der neurologischen Störungen gefolgt war, wurde dem Widerspruch gegen den Bescheid vom 03.05.2006 mit dem Widerspruchsbescheid vom 27.02.2007 teilweise abgeholfen. Die Verletztenrente wurde nunmehr nach einer MdE von 20 v. H. ab 01.10.2004 gewährt. Gemäß § 215 Abs. 8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) finde nicht der Zeitpunkt des Rententatbestandes für den Rentenbeginn Anwendung, sondern es gälten wie bisher die §§ 1156 Abs. 1 und 1546 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO).

Am 26.03.2007 ist Klage erhoben und zur Begründung insbesondere vorgetragen worden, § 215 Abs. 8 SGB VII verweise zwar auf § 1156 Abs. 1 RVO, jedoch nicht auf § 1546 Abs. 1 RVO. Unter Berücksichtigung der Verjährungsregelung des § 45 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) ergebe sich ein Rentenbeginn 01.01.2000. Die Unfallfolgen bestünden seit Jahrzehnten unverändert.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Bescheid vom 03.05.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.02.2007 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v. H. ab 01.01.2000 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ihrer Ansicht nach liegen die Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch nicht vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Entscheidungen sind rechtmäßig, der Kläger ist durch sie nicht beschwert. Er hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente für Zeiten vor dem 01.10.2004.

Der Rentenbeginn richtet sich nämlich gemäß § 212 SGB VII noch nach der Vorschrift des § 1546 Abs. 1 Satz 1 RVO, die mit Wirkung vom 1. Januar 1997 ersatzlos aufgehoben wurde (vgl. Art. 35 Nr. 1 und Art. 36 Satz 1 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes - UVEG - vom 7. August 1996 - BGBl. I 1254 -) und die bestimmte, dass dann, wenn die Unfallentschädigung nicht von Amts wegen festgestellt wurde, der Anspruch spätestens zwei Jahre nach dem Unfall bei dem Versicherungsträger anzumelden war. Wurde der Anspruch später angemeldet, so begannen die Leistungen mit dem Ersten des Antragsmonats, wenn nicht die verspätete Anmeldung auf Verhältnissen beruhte, die außerhalb des Willens des Antragstellers lagen. § 154...

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