Entscheidungsstichwort (Thema)

Minderung des Arbeitslosengeld II. Anforderungen an die schriftliche Rechtsfolgenbelehrung

 

Orientierungssatz

Zu den Anforderungen an die schriftliche Rechtsfolgenbelehrung nach § 31 Abs 1 SGB 2.

 

Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, den Bescheid vom 15.01.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.04.2015 aufzuheben.

2 .Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Sanktionsbescheids.

Der am 22.02.1984 geborene Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum Empfänger von Leistungen nach dem zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB 11).

Am 02.09.2014 unterbreitete der Beklagte dem Kläger einen Vermittlungsvorschlag für eine Vollzeitstelle bei der Firma K. J. in C.(BI. 1160 VA). Auf Seite 2 des Vermittlungsvorschlags fand sich der Hinweis, die beigefügte Rechtsfolgenbelehrung zu beachten.

Diese folgte am Ende des Schreibens. Sie war deutlich kleiner gedruckt als der Fließtext. Sie wurde von einem Kasten umrahmt, der durch eine schwarze Rahmenlinie  markiert war. Der Text enthielt keine Absätze. Das Wort "Rechtsfolgenbelehrung" stand am Anfang des Texts, war aber optisch nicht von dem restlichen Text der Belehrung abgesetzt. Der Text enthielt Hinweise auf Sanktionen für unterschiedliche Verhaltensweisen. Im zweiten Drittel des Texts fand sich der Hinweis, dass das ALG II bei einer Verweigerung der Arbeitsaufnahme um 30 % gekürzt werden könne. "Ein solcher Pflichtverstoß", so der Text weiter, "liegt weiterhin vor, wenn Sie die Aufnahme der angebotenen Arbeit durch negatives Bewerbungsverhalten vereiteln."

Am 29.09.2014 erfuhr der Beklagte, dass bei der Firma J. keine Bewerbung des Klägers eingegangen sei.

Daraufhin erließ der Beklagte nach Anhörung des Klägers den hier streitgegenständlichen Sanktionsbescheid vom 15.01.2015 (BI. 1166. VA). In diesem stellte der Beklagte eine Minderung des Arbeitslosengelds für die Monate Februar, März und April 2015 fest, da dieser sich nicht bei der Firma J. beworben habe.

Den mit Schreiben vom 05.02.2015 eingelegten Widerspruch (BI. 1182 VA) wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.05.2015 (BI. 1193 VA) als unbegründet zurück.

Am 13.08.2015 erhob der Bevollmächtigte des Klägers Klage am Sozialgericht Cottbus.

Zur Begründung führte er folgendes aus:

Der Sanktionsbescheid des Beklagten habe keine ordnungsgemäße Belehrung über die rechtlichen Folgen einer Nichtbewerbung enthalten. Zudem habe sich der Kläger am 15.09.2014 per Post beworben. Sofern der Brief nicht bei dem Arbeitgeber angekommen sei, ginge dies nicht zulasten des Klägers. Außerdem könne eine Weigerung nur vorsätzlich geschehen. Die Beweislast für den Vorsatz läge aber beim Jobcenter. Schließlich sei eine Aufhebungsentscheidung nach § 48 SGB X erforderlich gewesen. Die reine Feststellung der Sanktion genüge nicht.

Der Kläger beantragt:

der Bescheid des Beklagten vom 15.01.2015 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 04.05.2015 wird aufgehoben.

Der Beklagte beantragt

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, die Rechtsfolgenbelehrung habe den Vorgaben des Bundessozialgerichts entsprochen. Der Kläger habe das Stellenangebot der Beklagten unbeachtet gelassen und damit die Anbahnung des Arbeitsverhältnisses verhindert. Weiter hätte sich der Kläger umgehend, und nicht erst am 15.09.2014 bewerben dürfen. Die Beweislast für die Absendung von Bewerbungsunterlagen läge beim Kläger.

Wegen des weiteren Inhalts wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze sowie auf die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen, die zur Entscheidung vorlag.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Klage ist als isolierte Anfechtungsklage zulässig. Dass es hier an einer Aufhebungsentscheidung gemäß § 48 SGB X fehlt, ist unschädlich.

Vorliegend richtet sich die Klage gegen einen Bescheid, der eine Sanktion lediglich feststellt (§ 31b SGB II). Ein solcher lässt die Bindungswirkung des ursprünglichen Bewilligungsbescheids nicht entfallen. Um die Bindungswirkung entfallen zu lassen, bedürfte es einer separaten Entscheidung unter den Voraussetzungen des § 48 SGB X (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 2015 - B 14 AS 19/14 R, Rn. 16 juris).

Jedoch bringt der Feststellungsbescheid zum Ausdruck, ab welchem Zeitpunkt und um welchen Minderungsbetrag der Anspruch auf Leistung aufgrund welchen Sanktionsereignisses abgesenkt ist. (Eicher/Luik/S. Knickrehm/Hahn SGB II § 31b Rn. 5-11, beck-online). Er hat somit einen eigenen Regelungsgehalt.

Ein solcher Feststellungsbescheid kann isoliert angefochten werden, solange es an der Umsetzung durch einen Aufhebungsbescheid gemäß § 48 SGB X fehlt. (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 2015 - B 14 AS 19/14 R, Rn. 19 -juris).

2. Die Klage ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

a) Rechtsgrundlage für die Sanktion ist hier § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II in Verbindung mit § 31a Abs. 1 Satz 1 SGB II und § 31b Abs. 1 Satz 1 SGB II.

Demnach mindert sich der Aus...

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