Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung und -berechnung. Absetzung von Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen. Unterhalt für ein volljähriges Kind nach Vollendung des 21. Lebensjahres. Nichtbestehen der gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung bei fehlender Leistungsfähigkeit. Überprüfbarkeit
Orientierungssatz
1. Unterhaltszahlungen sind nur dann nach § 11b Abs 1 S 1 Nr 7 SGB 2 vom Einkommen absetzbar, wenn sie auf einer gesetzlichen Verpflichtung zur Unterhaltszahlung beruhen. Eine gesetzliche Unterhaltspflicht gegenüber einem Kind, welches das 21. Lebensjahr vollendet hat, besteht aber dann nicht, wenn die prognostischen Einkünfte des potentiell Unterhaltpflichtigen aus selbständiger Tätigkeit nur ca 500 Euro im Monat betragen und daher nicht von einer unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit ausgegangen werden kann.
2. In Fällen, in denen eine gesetzliche Unterhaltspflicht offensichtlich nicht besteht oder der potentielle Unterhaltsschuldner sich einseitig zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet hat, ohne dass eine Unterhaltsurkunde durch das Jugendamt oder durch Urteil vorliegt, sind die Grundsicherungsträger und die Gerichte jedenfalls befugt, das Bestehen einer gesetzlichen Unterhaltspflicht zu prüfen.
Tenor
Der Antrag auf einstweiligen Rechtschutz wird abgelehnt.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Antragsteller im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes höhere vorläufige Leistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) zustehen.
Der 1959 geborene Antragsteller ist deutscher Staatsbürger und lebt seit dem 01.04.2013 im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners und ist als selbständiger Dolmetscher und Übersetzer tätig. Er bezieht Leistungen nach dem SGB II vom Antragsgegner. Der Antragsteller hat einen 1995 geborenen Sohn Herrn C. Der Sohn ist bei dem Antragsteller gemeldet. Er lebt in D-Stadt/Türkei, wo er zunächst eine Schule besuchte. Er immatrikulierte sich am 08.10.2013 an der Universität zu D-Stadt. Mit Urkunde vom 28.10.2013 verpflichtete sich der Kläger ab dem 01.05.2013 bis zum 30.04.2017 monatlich 300 Euro an seinen Sohn an Unterhalt zu zahlen. Diese wurde vom Jugendamt Kreis Bergstraße aufgenommen. Mit Geldversandformular übersandte der Kläger jeweils an seinen Sohn am 4.3.2016: 200 Euro, am 16.03.2016: 300 Euro, am 01.04.2016: 300 Euro, am 31.05.2016: 500 Euro, am 20.06.2016: 200 Euro, am 30.06.2016: 350 Euro, am 15.07.2016: 300 Euro, am 02.08.2016: 288,10 Euro, am 02.09.2016: 143,10 Euro, am 05.09.2016: 100 Euro, am 30.09.2016: 300 Euro, am 11.10.2016: 200 Euro, am 04.11.2016: 100 Euro, am 24.11.2016: 100 Euro, am 30.11.2016: 250 Euro, am 30.12.2016: 400 Euro, am 19.01.2017: 250 Euro, am 01.03.2017: 300 Euro, am 16.03.2017: 300 Euro. Mit Urkunde vom 30.03.2017 verpflichtete sich der Kläger vor dem Notar E. aus E-Stadt, für seinen Sohn einen monatlich im Voraus zu entrichtenden Unterhalt von 400 Euro ab dem 01.05.2017 auf die Dauer von drei Jahren zu zahlen. Der Kläger unterwarf sich gegenüber dem Kind wegen dieser Verpflichtung der sofortigen Zwangsvollstreckung.
Auf Antrag des Antragstellers vom 13.03.2017 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller mit Bescheid vom 27.03.2017 vorläufig Leistungen nach dem SGB II für die Zeit von April bis September 2017. Dabei legte er ein prognostisches Einkommen von monatlich 531,05 Euro zugrunde. Nur im April 2017 berücksichtigte der Antragsgegner noch 300 Euro als Unterhaltszahlung. Er bewilligte daher für April 787,16 Euro, ab Mai aber nur noch 487,16 Euro.
Am 04.04.2017 erhob der Antragsteller Widerspruch gegen den Bescheid. Der Antragsgegner habe den Unterhalt für seinen Sohn nur gemäß der Urkunde vom 28.10.2013 bis einschließlich April 2017 berücksichtigt. Es existiere nunmehr eine neue vollstreckbare, notarielle Urkunde über die Verpflichtung zur Unterhaltsleistung vom 30.03.2017, die ab Mai 2017 zu berücksichtigen sei. Diese legte er vor.
Am 25.4.2017 stellte der Kläger vor dem Sozialgericht einen „Feststellungs- und Eilantrag“ und beantragte wörtlich:
1. Im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG dem Beklagten aufzuerlegen, mir einen neuen und berichtigen Leistungsbescheid für den Zeitraum 01. April 2017 bis 30. September 2017 zu erlassen.
2. Die Feststellung der aufschiebenden Wirkung meines Widerspruchs vom 01.04.2017 gegenüber dem Beklagten hinsichtlich des Leistungsbescheides vom 24.03.2017.
3. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Leistungsbescheides vom 27.03.2017 des Beklagten.
4. Im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 86b SGG dem Beklagten aufzuerlegen, meinen Widerspruch vom 01.04.2017 zu berücksichtigen und umgehend zu bearbeiten.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Das Gericht hat die Akte zum Verfahren S 22 AS 34/14 ER beigezogen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten - insbesondere dem umfassenden Vortrag der Beteiligten - wird auf den Inhalt der Gerich...