Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Höhe der Terminsgebühr. Abschlag auf die Mittelgebühr. Terminsdauer von 15 Minuten im Rahmen eines Erörterungstermins in Bezug auf eine Untätigkeitsklage
Leitsatz (amtlich)
Das wesentliche Kriterium bei der Festsetzung der Terminsgebühr nach Nr 3106 RVG-VV ist die Terminsdauer. Die Dauer einer Verhandlung von 30 bis 45 Minuten ist durchschnittlich und rechtfertigt in der Regel die Festsetzung der Mittelgebühr. Die Terminsdauer von 15 Minuten im Rahmen eines Erörterungstermins in Bezug auf eine Untätigkeitsklage kann zu einem Abschlag auf die Höhe einer halben Mittelgebühr führen.
Tenor
Auf die Erinnerung des Klägers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18. April 2011 abgeändert und die dem Kläger von der Beklagten zu erstattenden Kosten auf 172,55 € festgesetzt.
Gründe
I.
Gegenstand des Erinnerungsverfahrens ist allein die Festsetzung der Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG nebst der damit zusammenhängenden Höhe der Umsatzsteuer gem. Nr. 7008 VV RVG.
Im zugrunde liegenden Rechtsstreit (Az.: S 20 AS 210/05) vor dem Sozialgericht Darmstadt waren im Rahmen einer Untätigkeitsklage die Ausstattung des Klägers mit verschiedenen Werkzeugen, Haushalts- und Wohnungsgegenständen sowie Kosten für einen Umzugswagen streitig. In diesem Zusammenhang fand vor der zu diesem Zeitpunkt zuständigen 9. Kammer des Sozialgerichts Darmstadt am 25. September 2006 ein Erörterungstermin statt. Ausweislich der Sitzungsniederschrift dauerte dieser Termin 15 Minuten. Der Widerspruch des Klägers gegen den ablehnenden Bescheid der Beklagten wurde mit Widerspruchsbescheid vom 23. August 2007 zurückgewiesen. Mit Schriftsatz vom 4. September 2007 erklärte der Kläger den Rechtsstreit für erledigt. Mit Beschluss vom 11. Februar 2011 ist entschieden worden, dass die Beklagte die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten hat.
Im Kostenfestsetzungsverfahren hat der Kläger u.a. die Festsetzung der Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV RVG in Höhe von 150,00 € begehrt. Diesbezüglich hat die Beklagte die Auffassung vertreten, im vorliegenden Falle sei lediglich eine Terminsgebühr in Höhe von 80,00 als angemessen anzusehen. Denn die Dauer der mündlichen Verhandlung am 25. September 2006 habe lediglich 15 Minuten betragen. Nach statistischer Auswertung von Verfahrensakten aus allen Sozialrechtsgebieten werde auf hinreichend gesicherter Basis davon ausgegangen, dass eine durchschnittliche Verhandlungsdauer von ca. 50 Minuten festzustellen sei.
In dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18. April 2011 hat der zuständige Urkundsbeamte des Sozialgerichts Darmstadt die außergerichtlichen Kosten des Klägers auf 160,65 € festgesetzt, wobei er von einer Terminsgebühr in Höhe von 80,00 € ausgegangen ist und sich in der Begründung der Sichtweise der Beklagten voll umfänglich angeschlossen hat.
Dagegen hat der Kläger am 4. Mai 2011 Erinnerung eingelegt. Er weist darauf hin, dass im Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamte von einer fiktiven Terminsgebühr ausgehe, obwohl in der Sache aber tatsächlich ein Termin wahrgenommen worden sei. Nach seiner Auffassung liege die durchschnittliche Terminsdauer innerhalb der hessischen Sozialgerichtsbarkeit bei 30 Minuten.
Die Beklagte hat sich nicht geäußert.
II.
Die Festsetzung der rechtsanwaltlichen Gebühren im angefochtenen Beschluss vom 18. April 2011 ist bezogen auf die Höhe der Terminsgebühr und der damit im Zusammenhang stehenden Umsatzsteuer abzuändern.
Die Terminsgebühr in sozialrechtlichen Streitigkeiten beträgt 20,00 bis 380,00 € (Nr. 3106 VV RVG). Diese Gebühr ist nach den Kriterien des § 14 RVG festzusetzen. Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt diese Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung herangezogen werden (§ 14 Abs. 1 Sätze 1 und 2 RVG). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 S. 4 RVG).
Entspricht die vom Rechtsanwalt bestimmte Gebühr nicht der Billigkeit, ist sie insgesamt unverbindlich und wird im Kostenfestsetzungsverfahren bestimmt. Eine Reduktion der überhöhten Bestimmung auf eine gerade noch zulässige Gebührenhöhe findet nicht statt (vgl. Hartung/Römermann, RVG, § 14 Rdnr. 92 m.w.N.). Wegen der Schwierigkeiten zu bestimmen, wann eine Rahmengebühr unbillig ist, hat es sich in der Praxis vielfach bewährt, mit der so genannten Mittelgebühr zu arbeiten.
Diese Mittelgebühr soll dann gelten und damit zur konkreten billigen Gebühr in den “Normalfällen" werden, in denen sämtliche, vor allem die nach § 14 Abs. 1 S. 1 AVG zu berücksichtigenden Umstände durchschnittlicher Art sind, also von einer übl...