Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. fiktive Terminsgebühr bei erledigter Untätigkeitsklage. Kieler Kostenkästchen. billige Kosten des Erinnerungsverfahrens
Leitsatz (amtlich)
Eine unstreitig erledigte erfolgreiche Untätigkeitsklage löst eine fiktive Terminsgebühr aus.
Die Ermittlung "billiger" Gebühren erfolgt nach dem Kieler Kostenkästchen.
Für das Erinnerungsverfahren sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Orientierungssatz
Zum von der Kostenkammer des Sozialgerichts zur Konkretisierung der "billigen" Gebühren gem § 14 Abs 1 RVG entwickelten "Kostenkästchen".
Tenor
Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Kiel in dem Verfahren S 34 AS 1514/10 vom 13.12.2010 wird geändert.
Die der Erinnerungsführerin von dem Erinnerungsgegner zu erstattenden außergerichtlichen Kosten werden auf 166,60 € festgesetzt.
Die festgesetzten Kosten sind wie im angefochtenen Bescheid ausgesprochen zu verzinsen.
Das Verfahren ist kostenfrei. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Erinnerungsführerin hatte – anwaltlich vertreten - am 22.09.2010 beim Sozialgericht Kiel Untätigkeitsklage erhoben. Gerügt war eine bislang nicht erfolgte Entscheidung über einen mit Schreiben vom 25.05.2010 eingelegten Widerspruch. Das Verfahren endete gütlich durch Erlass eines Widerspruchsbescheides nebst Kostenanerkenntnis und Erledigungserklärung bzw. Annahme des Anerkenntnisses.
Mit Antrag vom 18.10.2010 beantragte die Erinnerungsführerin die Festsetzung der anwaltlichen Vergütung wie folgt:
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Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV-RVG |
80,-- € |
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV-RVG |
40,-- € |
Postpauschale, Nr. 7002 VV-RVG |
20,-- € |
19 % Umsatzsteuer (7008 VV-RVG) |
26,60 € |
Gesamt |
166,60 € |
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13.12.2010 die Terminsgebühr komplett ab mit der Begründung, der Erlass des begehrten Verwaltungsaktes und die anschließende Erledigungserklärung stelle kein angenommenes Anerkenntnis dar. Die Verfahrensgebühr reduzierte sie auf die doppelte Mindestgebühr in Höhe von 80,-- €. Den zu erstattenden Betrag setzte sie nach entsprechender Reduzierung der Umsatzsteuer insgesamt auf 114,24 € fest.
Hiergegen hat die Erinnerungsführerin mit Schriftsatz vom 22.12.2010 Erinnerung eingelegt. Sie wendet sich gegen die Absetzung der Terminsgebühr und hält die geltend gemachten Gebühren für angemessen.
Der Erinnerungsgegner hat sich zur Erinnerung nicht geäußert.
II.
Die Erinnerung ist zulässig.
Nach § 197 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) setzt der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszuges auf Antrag der Beteiligten oder ihrer Bevollmächtigten den Betrag der zu erstattenden Kosten fest. Nach § 197 Abs. 2 SGG kann gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden. Die Monatsfrist ist eingehalten worden.
Die Erinnerung ist auch begründet.
anwendbare Gebührenvorschriften:
Die Vergütung für anwaltliche Tätigkeiten bemisst sich nach dem RVG (§1 Abs. 1 Satz 1 RVG). In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen – wie im vorliegenden Fall - das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist, entstehen Betragsrahmengebühren (§ 3 Abs. 1 Satz 1 RVG). Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zum RVG (§ 2 Abs. 2 Satz 1 RVG).
Im Fall der Untätigkeitsklage ist die Verfahrensgebühr nach der Nr. 3102 VV-RVG anzusetzen. Bei der Untätigkeitsklage handelt es sich um eine von der sonstigen Tätigkeit des Rechtsanwalts im Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren unabhängige Tätigkeit mit der Folge, dass für den abgesenkten Gebührenrahmen der Nr. 3103 VV-RVG kein Raum besteht.
Die Terminsgebühr nach der Nr. 3106 VV-RVG ist als fiktive Terminsgebühr ansetzbar. Dieser Ansatz bei einer Untätigkeitsklage wird nicht einheitlich beurteilt. Es wird zum Teil die Auffassung vertreten, der bloße Erlass des begehrten Verwaltungsaktes stelle kein Anerkenntnis im Sinne des § 101 Abs. 2 SGG dar (vgl. Kostenbeamtin des Sozialgerichts Kiel im angefochtenen Beschluss mwN, insbesondere LSG Nordrhein-Westfalen vom 05.05.2008 – L 19 B 24/08 AS - bzw. aktuell vom 09.03.2011 – L 7 B 255/09 AS -). Dieser Auffassung schließt sich die Kostenkammer des Sozialgerichts Kiel nicht an. Auch nach Erlass des mit der Untätigkeitsklage begehrten Bescheides bzw. Widerspruchsbescheides tritt keine automatische Erledigung des Rechtsstreits ein. Eine nach Ablauf der Sperrfrist des § 88 SGG erhobene Klage ist regelmäßig dem ersten Anschein nach begründet. Falls der Erinnerungsgegner in der Klagerwiderung einen Klagabweisungsantrag stellt und zur Überzeugung des Gerichts darstellen kann, warum ein hinreichender Grund für die Nichtbescheidung vorliegt, kann das Gericht das Verfahren unter Fristsetzung für die Bescheidung entsprechend § 88 Abs 1 Satz 2 SGG aussetzen. Erlässt der Erinnerungsgegner allerdings nach Anhängigkeit der Untätigkeitsklage den Bescheid und legt einen hinreichende...