Entscheidungsstichwort (Thema)
Gründungszuschuss. Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit. Vorbereitungshandlung. Prognose der Tragfähigkeit der Existenzgründung. Klageverfahren. mögliche Ermessensreduzierung auf Null bei Zusage der Förderung einer selbstständigen Tätigkeit in einer Eingliederungsvereinbarung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine selbstständige Tätigkeit kann auch durch eine vorbereitende Handlung mit Außenwirkung aufgenommen werden, sofern sie nach dem zugrunde liegenden Gesamtkonzept ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet sind (Anschluss an BSG vom 5.5.2010 - B 11 AL 28/09 R = SozR 4-4300 § 57 Nr 5).
2. Die Prognose der Tragfähigkeit der Existenzgründung ist nach den erzielten Einkommen aus der selbstständigen Tätigkeit nach Ablauf der ersten sechs Monate zu überprüfen.
3. Die Beklagte kann auch noch im Klageverfahren eine Prognose der Tragfähigkeit anhand der Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung treffen.
4. Die Tragfähigkeit ist nach den individuellen Verhältnissen des Existenzgründers zu bestimmen.
5. Sofern die Beklagte dem Existenzgründer die Förderung seiner selbstständigen Tätigkeit in einer Eingliederungsvereinbarung zusagt, kommt bei Vorliegen weiterer Umstände eine Ermessensreduzierung auf Null in Betracht.
Orientierungssatz
1. Für die Ermittlung der Voraussetzungen eines Gründungszuschusses zur Überwindung einer Arbeitslosigkeit kann die Aufnahme des Geschäftsbetriebs nicht nachträglich rückdatiert werden. Vielmehr bestimmt sich die Aufnahme des Geschäftsbetriebs in jedem Fall nach der ersten unmittelbar auf berufsmäßigen Erwerb gerichtete und der Gewinnerzielung dienende Handlung mit Außenwirkung.
2. Von der Aufnahme eines Geschäftsbetriebs bei der Begründung einer selbständigen Tätigkeit ist jedenfalls dann auszugehen, wenn im Rahmen der selbständigen Tätigkeit eine Vertragsbeziehung des Selbständigen mit einem Dritten begründet wurde, aus der sich dann in der Folge tatsächlich ein Leistungsaustausch ergab. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Selbständige im Anschluss an die Vertragsanbahnung tatsächlich unternehmerisch tätig wird und nicht erst noch längere Zeit ohne ein Tätigwerden vergeht.
3. Bei der Beurteilung der Tragfähigkeit einer selbständigen Tätigkeit ist nicht auf ein pauschal festgelegtes Monatseinkommen abzustellen. Tragfähigkeit ist eine Unternehmung vielmehr schon dann, wenn sie im konkreten Einzelfall für den betroffenen Gründer den Lebensunterhalt ohne staatliche Hilfe sicherstellt.
Tenor
Der Bescheid vom 14.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2014 wird aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteil, dem Kläger Gründungszuschuss dem Grunde nach zu gewähren.
Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung eines Gründungszuschusses.
Der Kläger war nach seinem Studium als Diplom-Wirtschaftsinformatiker und verschiedenen Praktika in der Wirtschafsprüfung bei C. in der Schweiz tätig, um dort nationale und internationale Unternehmen im Aufbau und Prüfung der Risiko- und Kontrollstrukturen zu unterstützen. Im Anschluss leitete er in der Konzernrevision bei D. Financial Prüfungen in den Bereichen Datenschutz, Outsourcing, Geldwäsche und IT Sicherheit.
Seine letzte Tätigkeit kündigte der Kläger zum 30.09.2013. Er meldete sich zum 28.02.2014 arbeitssuchend und stellte einen Antrag auf Arbeitslosengeld. Im Antragsformular bestätigte der Kläger den Erhalt des Merkblattes für Arbeitslose. Mit Bescheid vom 20.03.2014 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit vom 01.10.2013 - 23.12.2013 für 12 Wochen fest und minderte den Anspruch auf Arbeitslosengeld um 90 Tage. Mit Bescheid vom 25.03.2014 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld für die Zeit vom 28.02. - 29.11.2014, insgesamt für 270 Tage.
Der Kläger teilte in einem Beratungsgespräch mit einer Arbeitsvermittlerin der Beklagten am 17.03.2014 mit, dass er plane sich zum 01.07.2014 im Bereich Revision selbstständig zu machen. Nach dem Vermerk der Arbeitsvermittlerin wurde dem Kläger u. a. der Antrag Gründungszuschuss sowie der dazugehörende Flyer ausgegeben und über weitere Beratungsmöglichkeiten informiert. Während dieses Beratungsgespräches schloss der Kläger mit der Beklagten eine Eingliederungsvereinbarung mit dem Ziel, eine selbstständige Tätigkeit aufzunehmen.
Am 02.06.2014 stellte der Kläger einen Antrag auf die Gewährung eines Gründungszuschusses für seine selbstständige Tätigkeit als freiberuflicher Volks- und Betriebswirt sowie Wirtschaftsinformatiker, in dem er die Richtigkeit seiner Angaben versichert und sich verpflichtet, alle leistungserheblichen Änderungen der Beklagten unverzüglich mitzuteilen. Dem Antrag war die Stellungnahme des Steuerberaters des Klägers nebst Businessplan beigefügt.
Im Businessplan legte der Kläger dar, dass der Schwerpunkt seiner Tätigkeit als externer Dienstleister im Bereich der IT-Revision, dem Notfallmanagement, dem Datenschutz, ...