Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Krankenversicherung: Freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung. Ermittlung der Höhe der Versicherungsbeiträge. Anforderungen an den Einkommensnachweis zur Beitragsermittlung

 

Orientierungssatz

Legt ein freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichertes Mitglied zum Nachweis seiner Einkünfte als Berechnungsbasis seines Versicherungsbeitrags nur geschwärzte Jahressteuerbescheide vor, aus denen sich lediglich die Gesamtheit der Einkünfte ermittelt lässt, ist dieser Nachweis zur konkreten Beitragsermittlung nicht geeignet und damit der Höchstbeitrag festzusetzen. Die Festsetzung eines geringeren Beitrags kommt dagegen nur in Betracht, wenn die Krankenversicherung aus den Einkommensnachweisen die einzelnen Einkommensarten und den Verlustausgleich je Einkommensart ermitteln kann und damit ein lediglich horizontaler Verlustausgleich bei der Beitragsermittlung sichergestellt ist.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung.

Der Kläger ist bei der Beklagten freiwilliges Mitglied zur Krankenversicherung und außerdem pflegeversichert.

Mit Schreiben vom 14. April 2016 erteilte der Kläger Auskünfte zu seinen Einkünften und legte den Steuerbescheid für das Jahr 2014 vom 29. Januar 2016 vor, worin er eine Reihe von Angaben geschwärzt hatte. Mit Schreiben vom 2. Mai 2016 forderte die Beklagte außerdem noch den Steuerbescheid für das Jahr 2013 an, den der Kläger in der Folgezeit vorlegte (Steuerbescheid vom 15. Mai 2015) und in dem wiederum eine Reihe von Feststellungen geschwärzt waren.

Durch Bescheid vom 29. Juni 2016 setzte die Beklagte die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 1. Juli 2016 ausgehend von der Beitragsbemessungsgrenze auf insgesamt 745,81 € fest. Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 25. Juli 2016 Widerspruch ein. Zur Begründung trug er im Wesentlichen vor, die Beklagte sei durch den Beitragsbescheid von ihrer langjährigen Praxis abgewichen, als sie Schwärzungen im Steuerbescheid akzeptiert habe. Der Kläger wies auf die Anforderungen des Datenschutzes und sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung hin. Die Durchsetzung der Beitragsforderung der Beklagten durch die Beklagte sei rechtswidrig, sittenwidrig und verstoße gegen das Sozialstaatsgebot. Soweit sie sich auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 9. August 2006 beziehe (B 12 KR 8/06), sei dieses Urteil ebenfalls verfassungswidrig. Aus erzielten Einnahmen können nicht pauschal auf seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit geschlossen werden.

Durch Bescheid vom 17. August 2016 setzte die Beklagte die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 1. August 2016 auf 745,81 € fest. Außerdem half sie dem Widerspruch gegen den Bescheid vom 29. Juni 2016 dahingehend ab, dass die Beitragsberechnung erst ab dem 1. August 2016 neu festgestellt wurde. Gegen den Bescheid vom 17. August 2016 legte der Kläger mit Schreiben vom 22. August 2016 Widerspruch ein.

Durch Bescheid vom 22. November 2016 forderte die Beklagte einen Beitragsrückstand an, gleiches mit Bescheid vom 21. Dezember 2016. Mit weiterem Bescheid vom 23. Dezember 2016 wurden die Beiträge zum 1. Januar 2017 neu berechnet. Gegen die Bescheide legte der Kläger jeweils Widerspruch ein. Sämtliche Bescheide der Beklagten in diesem Zusammenhang ergingen auch im Namen der Pflegekasse.

Durch Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2017 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. In der Begründung legte die Beklagte dar, dass freiwillig Versicherte verpflichtet seien, der Krankenkasse die für die Beitragsbemessung erforderlichen Nachweise auf Verlangen vorzulegen. Dem sei der Kläger durch die Vorlage der Steuerbescheide von 2013 und 2014 nicht ausreichend nachgekommen, denn diese seien geschwärzt gewesen.

Dagegen hat der Kläger am 2. Februar 2017 bei dem Sozialgericht Darmstadt Klage erhoben.

Der Kläger vertritt im Kern die Auffassung, der Maßstab zur Ermittlung der Beitragshöhe gemäß § 240 Abs. 1 S. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sei die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitgliedes. Maßstab zur Ermittlung dieser Grundsätze sei allein das steuerlich ermittelte Gesamteinkommen. Auch das BSG habe in seiner Entscheidung vom 2. September 2009 (B 12 KR 21/08R) festgestellt, dass Versuche, den Steuerbescheid zu unterlaufen, nicht möglich seien. Sein steuerliches Einkommen habe er jedoch nachgewiesen. Die Beklagte verlange höhere Beiträge als ihm überhaupt - durch das Finanzamt Darmstadt belegt - an Finanzmitteln zum gesamten Lebensunterhalt zur Verfügung stehen würden. Darin sei ein Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 1 2. Alt. Grundgesetz (GG) zu sehen. Außerdem sieht der Kläger Verstöße gegen Art. 2 Abs. 1 1. Alt. GG, 14 Abs. 1 S. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG.

Die Vorgehensweise der Beklagten stelle pauschal und ohne Rücksicht au...

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