Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch der weiblichen Versicherten auf operative Brustkorrektur wegen entstellend wirkender Abweichung gegenüber der Krankenkasse

 

Orientierungssatz

1. Soweit durch einen regelwidrigen Körperzustand körperliche Funktionen nicht beeinträchtigt werden oder die anatomische Abweichung nicht entstellend wirkt, stellen sie keine behandlungsbedürftige Krankheit i. S. von § 27 Abs. 1 SGB 5 dar (BSG Urteil vom 23. 7. 2002, B 3 KR 66/01 R).

2. Narbeneinziehungen der weiblichen Brust und eine gegenüber der anderen verkleinerte Brust nach operiertem Brust-Carzinom erfüllen nicht den Krankheitsbegriff des § 27 Abs. 1 SGB 5. Beim Tragen eines entsprechenden Büstenhalters und Tageskleidung ist für einen flüchtigen Beobachter eine Entstellung nicht zu erkennen.

3. Nach § 12 Abs. 1 SGB 5 müssen die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.

4. Für eine rein kosmetische Operation besteht keine Leistungspflicht der Krankenversicherung.

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Kostenübernahme einer Brust-Korrektur-Operation mit Auffüllung, was die Beklagte mangels medizinischer Notwendigkeit ablehnt.

Die inzwischen 46-jährige infolge Rentenbezuges bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin musste sich im Jahr 2008 wegen eines linksseitigen Brust-Carcinoms operieren lassen, wobei eine kleinere Menge des Fettgewebes mit entfernt werden musste. Anschließend erhielt die Klägerin Chemotherapie und Bestrahlungen.

Wegen ihrer Ansicht nach entstellenden Narbeneinziehungen sowie zum Ausgleich der kleineren linken Brust stellte sie im Januar 2012 bei der Beklagten Antrag auf Kostenübernahme einer Brust-Operation, die sie auf ein Attest ihrer Frauenärztin C. vom 12.03.2012 stützte, wonach die linke Brust eine deutlich narbige Einziehung aufweise, unter der sie körperlich wie psychisch stark leide. Die Beklagte hat weitere Berichte des Klinikums Darmstadt (03.01.2012 und 30.04.2012), der Radiologin D. (02.01.2012) und der Asklepios-Klinik Wiesbaden beigezogen, wobei letztere in ihrem Bericht vom 05.01.2012 ausführte, dass trotz ausführlicher Aufklärung, dass eine Korrektur sowie auch eine Auffüllung des Defektes mit umschriebenen Fettgewebsinjektionen keine sichere Verbesserung ergebe, dies von der Klägerin dennoch ausdrücklich gewünscht wurde. Während des Gesprächs sei ganz klar deutlich geworden, dass die Klägerin keine realistischen Vorstellungen habe und unter einer deutlichen depressiven Verstimmung leide. Es sei mit ihr offen dahingehend kommuniziert worden, dass eine psycho-onkologische oder Psychotherapie einen größeren Nutzen darstelle. Auch wenn das Verfahren der Fettgewebsinjektion noch nicht ausgereift sei, würde die Klinik bereit sein, dennoch den Versuch unternehmen, die Narbenkorrektur durchzuführen.

Daraufhin veranlasste die Beklagte noch eine Untersuchung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK), bei der die untersuchende Ärztin Dr. E. unter Beiziehung eines weiteren Arztes (Dr. F.) am 09.05.2012 zu der Einschätzung gelangt war, dass allenfalls eine diskrete narbige Einziehung vorliege, so dass die geschilderten extremen Schmerzen und die deutliche psychische Belastung dazu unverhältnismäßig erscheinen. Die sehr hohen Erwartungen der Klägerin, dass eine vollständige Wiederherstellung, besonders die optische Wiederherstellung der linken Brust dadurch möglich sei, müsse zumindest kritisch hinterfragt werden. Im bekleideten Zustand mit einem Büstenhalter sei die narbige Einziehung nicht zu sehen und die Brust rechts und links symmetrisch. Eine funktionelle Störung, eine Bewegungseinschränkung oder eine Behinderung sei durch die Brustnarbe nicht gegeben, weshalb dem Befund kein Krankheitswert zukomme. Die gewünschte Korrektur-Operation stelle daher eine kosmetische Maßnahme dar, weshalb ihrerseits eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse nicht empfohlen werden könne. Unerlässlich erscheine dagegen eine adäquate psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung der Klägerin, die durch die Brustkrebs-Diagnose und -Behandlung zutiefst verstört sei.

Entsprechend wies die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 01. Juni 2012 als unbegründet zurück. In der Folgezeit legte die Klägerin weitere Arztberichte (Ketteler Krankenhaus Offenbach, Internist Dr. G. vom 04.04.2011, Frauenärztin C. vom 02.01.2012 und 14.05.2012, des Nervenarztes Dr. H. vom 17.04.2012, sowie erneut der Asklepios-Klinik Wiesbaden vom 18.12.2012) vor, wobei letztere nochmals ihre Einschätzung bestätigt hatte. Diese Unterlagen ließ die Beklagte nochmals durch den MDK auswerten; der Arzt J. kam dabei zu dem Ergebnis, dass nach wie vor die kosmetischen Gründe eindeutig im Vordergrund stünden. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch mit Bescheid vom 16.09.2013 als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die am 14.10.201...

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