Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Einwendungen gegen Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit. Ablauf der Frist nach § 275 Abs 1c SGB 5. Beschränkung des Amtsermittlungsgrundsatzes im sozialgerichtlichen Verfahren. Beginn der Ausschlussfrist in atypischen Fällen
Leitsatz (amtlich)
1. Nach Ablauf der Frist des § 275 Abs 1c SGB 5 ist die Krankenkasse mit Einwendungen hinsichtlich der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit ausgeschlossen.
2. § 275 Abs 1c SGB 5 beschränkt im sozialgerichtlichen Verfahren den Amtsermittlungsgrundsatz.
3. Entscheidend für den Beginn der Ausschlussfrist des § 275 Abs 1c SGB 5 in atypischen Fällen ist, in wessen Risikosphäre die Ursache für den atypischen Geschehensablauf fällt.
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.011,31 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. September 2008 sowie weiterer 3 Prozentpunkte ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um das Entgelt für eine vollstationäre Krankenhausbehandlung in Höhe von 1.011,31 €.
Die Klägerin betreibt das K.-Krankenhaus in K.. Die bei der Beklagten versicherte D. K. wurde dort wegen einer chronischen Salpingitis bzw. Oophoritis vom 27. bis zum 29. November 2007 vollstationär behandelt.
Die Klägerin berechnet hierfür die DRG-Fallpauschale N07Z und stellte der Beklagten unter dem 12. Dezember 2007 einen Betrag in Höhe von 2.252,86 € in Rechnung. Die Rechnung ging bei der Beklagten am 14. Dezember 2007 auf elektronischem Wege ein. Am 19. Dezember 2007 sandte die Beklagte die Rechnung ebenfalls elektronisch mit dem Hinweis zurück, dass keine Mitgliedschaft der Patientin bei der Beklagten feststellbar sei, eine Prüfung einer möglichen Familienversicherung aber in Arbeit sei.
Ab 20. Dezember 2007 führte die Beklagte die Patientin als Versicherte in der Familienversicherung. Der Beginn der Mitgliedschaft in der Familienversicherung lag vor dem Behandlungszeitpunkt. Eine Mitteilung hierüber an die Klägerin erfolgte nicht.
Im weiteren Verlauf versuchte die Klägerin sechs weitere Male, die Rechnung zu übermitteln, unter anderem am 4.2.2008. Die Rechnung wurde aber jeweils mit ähnlichen Hinweisen auf eine nicht feststellbare Mitgliedschaft zurückgewiesen.
Eine weitere Übermittlung der Rechnung erfolgte am 6.8.2008. Mit Schreiben vom 26.8.2008 zeigte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung in Hessen (MDK) der Klägerin an, mit einer Prüfung der Rechnung vom 6.8.2008 beauftragt worden zu sein. Am 5. September 2008 zahlte die Beklagte einen Teilbetrag in Höhe von 1.241,55 € an die Klägerin. Im Oktober 2008 übersandte der MDK den Fall unbegutachtet an die Beklagte zurück. Die Klägerin hatte keine prüfbaren Krankenhausdokumentationen zu dem Behandlungsfall zu Verfügung gestellt.
Am 7. November 2008 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Darmstadt erhoben.
Sie meint, § 275 Abs. 1c Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) enthalte eine Ausschlussfrist. Wenn die Krankenkasse diese Frist verstreichen lasse, ohne eine Prüfung der medizinischen Notwendigkeit der Behandlung vorzunehmen, sei sie verpflichtet, die Forderung des Krankenhauses zu erfüllen. Die Sechswochenfrist des § 275 Abs. 1c SGB V habe bereits mit der ersten Rechnungsübermittlung begonnen. Dass die Beklagte zunächst nicht in der Lage war, die Mitgliedschaft ihrer Versicherten festzustellen, falle nicht in der Risikosphäre der Klägerin. Diese habe alle relevanten Information bereits mit der ersten Rechnungsstellung übermittelt.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.011,31 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. September 2008 sowie weiterer 3 Prozentpunkte ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint, die Regelung des § 275 Abs. 1c SGB V finde nur im vorgerichtlichen Verfahren Anwendung. Für das Gerichtsverfahren verbleibe es beim Amtsermittlungsgrundsatz. Selbst wenn man aber § 275 Abs. 1c SGB V als Ausschlussfrist verstehe, sei es im vorliegenden Fall nicht zu einer Präklusionswirkung gekommen. Es handele sich um einen atypischen Verfahrensablauf, weil die Beklagte bei der erstmaligen Rechnungsstellung keine Mitgliedschaft feststellen und daher auch den MDK nicht beauftragen konnte. Bei der Rechnungsstellung am 6.8.2008 sei der MDK rechtzeitig innerhalb der Sechswochenfrist beauftragt worden. Es komme daher auf die medizinische Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung an, weshalb medizinische Ermittlungen erforderlich seien.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Krankenhausakte der Klägerin, sowie der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung des Entgelts für die Krankenhausbehandlung der Versicherten D. K. in der ...